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Farce ohne Folgen: Wie ein TV-Duell nur Meinungen bestärkt

Von Konstanze Walther

Politik
Public Viewing in einem Lokal in West Hollywood, Kalifornien.
© getty images/ Mario Tama

Donald Trump machte die erste TV-Debatte zu einem faktenfreien Frontalunterricht mit Untergriffen gegenüber Herausforderer Joe Biden. Letzterer wird als Gewinner des Fernsehduells gesehen. Ob das für den Demokraten genügen wird, ist fraglich.


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Es war eine Fernsehdebatte, wie sie so noch nie zu sehen war. Donald Trump holte als amtierender US-Präsident zu noch mehr Rundumausschlägen aus als vor vier Jahren, als er gegen Hillary Clinton antrat. Damals hatte Trump noch aus der Position des Außenseiters heraus diskutiert, viele unterstellten ihm, er wollte gar nicht gewinnen. Dass er jetzt, vier Jahre später, aber unbedingt Präsident bleiben will, hat er zuletzt sehr deutlich gemacht. Und so nahm sich Trump, der derzeit rund sechs Prozentpunkte hinter Biden liegt, jede Bühne, die er bekommen konnte. Um die Gelegenheit der Selbstdarstellung zu haben, unterbrach er seinen Herausforderer Joe Biden so oft wie möglich, ja sogar dem Moderator fiel er ständig ins Wort. Mindestens 128 Mal hat Trump die beiden anderen unterbrochen, wie die Webseite Slate gezählt hat - Clinton wurde bei der ersten Debatte "nur" 51 Mal unterbrochen. Eine Debatte dauert 90 Minuten.

Lügen als Fakten

Diese Unterbrechungen nutzte Trump, um weiterhin Unwahrheiten, die oft genug widerlegt worden waren, als Fakten zu präsentieren. Dass die Briefwahl dem Wahlbetrug Vorschub leistet. Und dass die Gewalt bei den Rassenprotesten vor allem auf der Seite der Linken zu sehen wäre (etwas, was zuletzt das FBI vehement bestritten hatte). Der Herausforderer Joe Biden konnte sich ein paar Mal nicht zurückhalten und nannte Trump einen "Lügner" und "Clown". Und dem Moderator vom an sich konservativen TV-Sender Fox News platzte auch der diplomatische Kragen: Er musste den Präsidenten ein ums andere Mal daran erinnern, meistens erfolglos, dass er den anderen ausreden lassen müsse. Denn dazu hätten sich die beiden Wahlkampf-Teams im Vorfeld verpflichtet - wie es Usus ist.

Und das alles in einem Land, das stolz auf seine diesbezügliche Kultur ist - schon in der Schule können Kinder und Jugendliche in Freifächern Debattierclubs beitreten, um die Kunst der geschliffenen Attacke zu lernen. Trump hingegen ist bei Debatten ein Bulldozer, der niemandem Raum lässt. Bidens Taktik war über lange Strecken, ruhig zu bleiben und immer wieder das amerikanische Volk direkt zu adressieren: "Ich traue ihm nicht, und ich weiß, Sie tun es auch nicht." Einmal war es auch Biden zu viel: "Halten Sie endlich einmal die Klappe!", sagte er Richtung Trump.

"Es war eine Shitshow"

Hier fühlten sich viele an die TV-Debatten zwischen Hillary Clinton und Trump erinnert; auch damals fiel Trump Clinton immer wieder ins Wort. Doch Clinton war offenbar gesagt worden, sie dürfe als Frau nicht allzu aggressiv herüberkommen. Als Biden nun Trump diesen Satz hinwarf, schrieb ein Twitter-User: "Ich wette, dass Hillary das auch gerne gesagt hätte." Clinton reagierte prompt: "Darauf können Sie wetten", twitterte sie.

Die Meinungen über die jüngste TV-Debatte waren relativ einhellig: "Es war eine Shitshow", urteilte die CNN-Journalistin Dana Bash in der Nacht auf Mittwoch. "Ich kann es nicht anders beschreiben." Sogar Trump-Anhänger Rick Santorum, der auf CNN die konservativen Positionen vertritt, sagte: "Ich glaube, der Präsident hat sich heute verkalkuliert." Auf Fox News hieß es einerseits diplomatisch, es wäre eine "feurige" Debatte gewesen, während die Fox-Expertin Dana Perino zumindest anerkennend sagte: "Joe Biden hat die Erwartungen, die ihn in gesetzt waren, erfüllt. Wenngleich es auch keine besonders hohen Erwartungen waren."

Höchst fraglich ist, ob dieses TV-Duell eine Bewegung bei den Wählern ausgelöst hat. Wie eine Studie der Havard Business School vor einem Jahr herausgefunden hat, beeinflussen TV-Debatten nur die wenigsten Wähler. 72 Prozent wissen ohnedies bereits zwei Monate vor der Wahl, wen sie wählen werden. Und jene, die sich noch umstimmen lassen, tun das nicht als Folge eines Fernsehduells.

Clinton war auch Siegerin

Der Analyst der Datenwebseite 538, Nathaniel Rakich, glaubt das jedenfalls nicht: Insgesamt hätte Trump die Debatte dominiert. Aber die Tatsache, dass Trump es nicht schaffte, Rechtsextremismus zu verurteilen, und dass er beide Biden-Söhne attackierte, hätte Trump außerhalb seiner Basis jedenfalls keine zusätzlichen Anhänger gebracht. Innerhalb der Basis reichte es aber vielleicht für eine zusätzliche Mobilisierung. Trump rief ja seine Wähler explizit dazu auf, die Wahllokale mehr oder weniger zu "bewachen", eine althergebrachte Taktik, um Wählerschichten von Minderheiten von den Wahlkabinen fernzuhalten.

CNN hat nach der TV-Debatte eine Blitzumfrage unter Zuschauern gemacht. Das Sample tendierte von Anfang an in Richtung Biden. Denn 39 Prozent waren Demokraten, 36 Prozent Unabhängige und 25 Prozent Republikaner. 60 Prozent sagten nach der TV-Debatte, Biden habe den besseren Job gemacht, während nur 28 Prozent Trump vorne sahen. Das sagt allerdings wenig aus, denn 2016 sah es genauso aus: Nach der ersten TV-Debatte zwischen Clinton und Trump sahen 62 Prozent Clinton als Siegerin des Duells, für 27 Prozent war Trump der Gewinner.