Prinzessin, Froschkönig oder edler Prinz? Im Fasching ist alles erlaubt. Tausende Kostüme für bunte Feste und Abendkleider oder Fräcke für noble Bälle hängen in zahlreichen Verleih-Häusern - und warten darauf, vorübergehend einen neuen Besitzer zu finden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Farbenfrohe Kleider aller Nuancen, so weit das Auge reicht - Rüschen, Borten und Spitzen zieren die eleganten und historischen Stücke, neben denen knallrote, geschnürte Mieder und hautenge Disco-Minis mit Glitzer und schillernden Pailletten hängen. Eine Kleiderstange höher reihen sich Pelzmäntel aneinander, im gegenüberliegenden Gang stehen Fräcke und Smokings Spalier. Die nahezu unüberblickbare Auswahl im Kostümhaus M. Lippitsch in der Längenfeldgasse in Wien-Meidling lässt vermuten, dass kein Kunde mit leeren Händen das Haus verlässt.
"Wir haben aber trotzdem nicht alles", erklärt die Fundusleiterin Ulla-Britt Lütze. Und tatsächlich verlässt gerade eine Dame ohne Kostüm die 1600 Quadratmeter große Halle - für sie war unter den etwa 60.000 Einzelstücken kein passendes dabei. Am leichtesten kann laut Lütze jenen Suchenden geholfen werden, die bereits beim Betreten des Kostümhauses wissen, in welche Rolle sie im Fasching schlüpfen wollen, oder welchen Stil sie bei der Abendgarderobe für einen Ball vorziehen. Ein Kunde mit dem Vorsatz "Ich suche ein lustiges Faschingskostüm" sei oft sehr schwierig zu befriedigen.
Zeitreise durch die Epochen
Wie der Kundenwunsch auch lautet - die Fundusleiterin steuert gezielt auf eine der unzähligen Kleiderstangen zu, die wie auf einer Zeitreise durch die einzelnen Epochen der Jahrhunderte führen. Zwischen Hosen aus der Steinzeit und futuristischen, giftgrünen Marsmännchen-Verkleidungen scheppern Ritterrüstungen und umspielen zarte Rokokokleider die dazupassenden Kniebundhosen für den Herrn. In Schachteln stapeln sich Gürtelschnallen, Mozart-Perücken, Pappnasen, Pumps und Ballerinas.
"Wer Schuhe ausborgt, dem muss bewusst sein, dass diese schon von zahlreichen Vorgängern benutzt worden sind", meint Lütz. Unter dem frei hängenden Schuhwerk mit bestickten Cowboystiefeln und Zentimeter hohen Stöckelschuhen findet sich kein Stück, das nicht abgewetzt wirkt. Dafür sind auch besondere Gustostückerl wie etwa samtrote Schnallenschuhe aus der Barockzeit dabei.
Wer lieber mit einem neuen, maßgeschneiderten Kleidungsstück auf dem Fest brillieren möchte, der wird einen Raum weiter bedient: In der zum Kostümverleih gehörigen Schneiderei, wo etwa 15 Angestellte emsig nähen und bügeln. Hier werden auch die Leih-Kostüme je nach Kundenwunsch geändert und angepasst. "Dieses Service ist genauso wie die Reinigung nach der Rückgabe im Preis inbegriffen", erklärt Lütz.
Falls eines der ehemals extravaganten Stücke letztendlich unrettbar zerschlissen, fadenscheinig und fleckig ist, bekommt es als Sandler-Kostüm sein Gnadenbrot. In der Obdachlosen-Abteilung finden sich dazupassende Schlapphüte und Handschuhe. "Wir nehmen ja auch altes Gewand aus verstaubten Dachböden oder unliebsamen Erbschaften", sagt Lütz, "für diese Abteilung ist meistens etwas dabei."
Kaiserin Sisi neben dem weißen Franz Josef
Dabei streichelt sie liebevoll ein cremefarbenes, absolut nicht ärmlich wirkendes, mit Blumen besticktes Kleid aus der Jahrhundertwende: "Dieses Prachtstück wird sehr gerne ausgeborgt: Kaiserin Sisis Robe, daneben hängt der weiße Gardeuniform-Rock von Franz Josef." Kleine Mädchen bevorzugten klassische, rosa Prinzessinnen-Kostüme mit Krönchen. Am besten sortiert sei die Abteilung der 50er bis 80er-Jahre.
Ausschließlich für Filmproduktionen und Theaterstücke dürfen laut Lütz moderne Polizei-Uniformen verliehen werden, "damit ja keine falschen Polizisten auf den Straßen Anzeigen verteilen." Das Uniform-Sortiment, mit dem vor mehreren Jahrzehnten der Kostümverleih auf damals beengenden 40 Quadratmetern seinen Anfang nahm, ist außergewöhnlich: Historische Originale rufen die NS-Zeit des Zweiten Weltkriegs erschreckend realistisch in Erinnerung, auch Stasi-Uniformen verstecken sich in den meterlangen Reihen, die hier penibel datiert und beschriftet sind. Zu jeder Ausstattung birgt das Kellerdepot zusätzlich täuschend echte Waffen-Imitate.
Zahlenmäßig weniger gut bestückt, aber genauso einzigartig ist das Sortiment von Lambert Hofer in der Bartensteingasse der Wiener Innenstadt. Dem Fundus steht deutlich weniger Raum zur Verfügung - der jedoch bis zur Decke nahezu lückenlos ausgenutzt wird. Erika Stummer betreut seit 31 Jahren die Kostüme und Kleider. Fräcke, Smokings und Cutaways sowie Zylinder der letzten 200 Jahre in allen Größen und Hutweiten können in der kleineren Filiale in der Margaretenstraße, Wien-Wieden, ausgeliehen werden.
Nonnen liegen im Trend
"Wir haben auch einen Frack", erklärt Stummer stolz und zieht ein blau schillerndes Flittersakko aus den Reihen, "der wird gern für den Life-Ball ausgeliehen." Anschließend hängt ihn die Fundusleiterin behutsam zurück: Zwischen den weißen Elvis-Hosenanzug mit himbeerroten Funkelsteinen und die samtene Königsrobe mit einem Schal aus falschem Hermelin. Griffbereit thront ein Talar auf einer separaten Stange. "Nonnen liegen zur Zeit stark im Trend", weiß Stummer, "aufgrund der Fernsehserie ,Sister Act`".
Tatsächlich entstehen im Nebenraum, wo zwei Näherinnen und drei Lehrlinge arbeiten, soeben schwarze Umhänge und weiße Mützchen. "Die Kostüme werden per Hand und sehr genau gefertigt", sagt Stummer, "auch die fürs Theater - damit wir sie später noch viele Jahre lang verleihen können."
Die retournierten Stücke werden unverzüglich in eine Waschmaschine gesteckt, die ununterbrochen wäscht, schleudert und trocknet. Anschließend kehren die sauberen Kleider auf ihren gewohnten Platz zurück, "weil man sonst nichts mehr findet." Stark veraltete Exemplare könnten womöglich nie wieder verliehen werden, weil sich der Körperbau der Menschen im Laufe der Jahre verändert habe. Vor allem die Männer - und deren Hosen und Jacken - waren früher um einiges kleiner als heute.
In einem Durchgangszimmer zwischen der Herren- und der Damenabteilung stapeln sich Koffer, Handtaschen und Schuhe - darunter original holländische Klumpen. Um diesen überfüllten Raum betreten zu können, muss zuerst ein lebensgroßer, blauer Plüsch-Schlumpf zur Seite geschoben werden. "Den haben wir für die letzte ,Musikantenstadl`-Sendung gemacht", erklärt Stummer. Allerdings ist das Kostüm kopflos: Das dazupassende Schlumpf-Gesicht mit weißer Zipfelmütze blitzt aus einem Hochregal, daneben die Pappmaché-Köpfe der sieben Zwerge. Kein Kobold gleicht dem anderen. "Wir Menschen schauen ja auch alle anders aus", meint Stummer, die die Köpfe selbst gefertigt hat.
In einem Frack zum Opernball
Wer weder als Schlumpf noch als Elvis, sondern im feinen Frack den Opernball besuchen möchte, der kann sich etwa im Kleiderverleih Rottenberg in der Porzellangasse in Wien-Alsergerund beraten lassen. Dort wird neben Hochzeitskleidern auch ausgewählte Abendgarderobe für die Dame und den Herren verliehen, die stets neuwertig angekauft wird.
"Unsere Aufgabe besteht neben dem Verleih auch darin, die Kunden aufzuklären, was zu welchem Anlass getragen wird", sagt der Besitzer Theodor Rottenberg. Der Opernball etwa - heuer am 19. Februar - verlangt ein bodenlanges Abendkleid für die Dame und für den Herrn einen Frack. Letzterer besteht aus einer Hose, einem Sakko mit Schwanz, einem Piquet-Hemd mit Perlmutter-Knöpfen, einer Weste und einem weißen Mascherl. Das Hemd müsse vor dem Tragen gestärkt werden. "Dadurch ist der Herr genötigt, aufrecht zu sitzen", schmunzelt Rottenberg. Die Hose zieren dieses Jahr zwei flotte, glänzende Seitenstreifen.
Bei der Leihgebühr von 210 Euro sind die Änderung und Reinigung inbegriffen - ein maßgefertigter Frack kann bis zu 3000 Euro kosten. Um diese Ausgabe kommt ein Herr mit Opernball-Karten auch dann nicht herum, wenn er sich zu spät im Kleiderverleih für einen Frack angemeldet hat. "Schon jetzt ist es ziemlich eng", erklärt Rottenberg, "ab Ende Dezember kommen laufend Anmeldungen." Am Tag des Opernballs seien alle 80 bis 100 Fräcke weg.
Männer stehen somit nicht vor der qualvollen Entscheidung, welches Kleidungsstück sie für den wichtigsten Ball des Jahres wählen sollen. Damen können bei Rottenberg in großen Roben mit voluminösem Tüll und schlichten, mit Pailletten bestückten Unikaten wühlen -und auf die Debütantinnen des Opernballs warten blütenweiße Kleider.
Kostümverleih im Preisvergleich
Kostümhaus M. Lippitsch
1120 Wien, Längenfeldgasse 27/A
Tel.: 01/586 2295 0
Kostüm: 80-120 EuroAbendkleid: 80-120 EuroFrack: 150 EuroCut: 150 EuroSmoking: 120 EuroKostümverleih Lambert Hofer junior GesmbH
1010 Wien, Bartensteingasse 3
Tel.: 01/408 1666 0
Kostüm: 50-100 EuroAbendkleid: rund 100 Euro
1040 Wien, Margaretenstraße 25
Tel.: 01/587 44 44 0
Frack: 230 EuroCut: 135 EuroSmoking: 115 EuroKleiderverleih Rottenberg
1090 Wien, Porzellangasse 8
Tel.: 01/317 6155
Abendkleid: 90-160 EuroFrack: 210 EuroCut: 130-160 EuroSmoking: 156 Euro
Alle Preise inkludieren Änderung und Reinigung.