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Fass ohne Boden

Von Simon Rosner

Politik

Seit drei Jahrzehnten sinken die Verteidigungsausgaben, Klug will mehr Spielraum für Investitionen schaffen.


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Wien. Die Wortwahl der Reaktionen aus der Bundes-, der Landespolitik und von Offizieren war deftig und alarmistisch. "Aushungern", "Bankrotterklärung", "Zerstörung", "Begräbnis", "Sterbehilfe" und sogar: "Todesstoß". Der Grad der Aufgeregtheit, die auf die Präsentation der Heeres-Reformpläne folgte, übertraf das Ausmaß der öffentlichen Aufmerksamkeit, die der Landesverteidigung ansonsten entgegengebracht wird, um ein Vielfaches.

Aber tatsächlich geht es ums Eingemachte, wie auch Minister Gerald Klug betonte. Für 2015 wird sein Budget erstmals unter zwei Milliarden Euro beziehungsweise auf 0,55 Prozent des Bruttoinlandsprodukts fallen. Und selbst das ist noch nicht gänzlich abgesichert, da Finanzminister Hans Jörg Schelling aufgrund reduzierter Prognosen bereits Nachbesserungen beim Budget angekündigt hat.

Klug machte klar, dass noch weniger Budget keine Option sei, vielmehr benötige er zum weiteren Betrieb von zum Beispiel Black-Hawk-Hubschraubern eine Sonderfinanzierung. Sonst drohten "massive Einschränkungen" der Einsatzbereitschaft, sagte Klug. Doch der Blick zurück offenbart, dass ein bisschen weniger immer noch gegangen ist.

Bald Schlusslicht in Europa

Schon in den 90ern warnten Offiziere vor dem Kaputtsparen, Verteidigungsminister erklärten, keine weiteren Einsparungen mehr akzeptieren zu können. Dennoch verringerte sich der Anteil der Ausgaben am BIP von Jahr zu Jahr. Die Ausnahme bildete nur der Kauf der Eurofighter im Jahr 2004, doch die Tendenz zur Budgetreduktion war stets dieselbe - egal ob ÖVP, FPÖ oder SPÖ das Ressort führten. Im europäischen Vergleich ist Österreich damit auf dem Weg, zum Schlusslicht bei der Landesverteidigung zu werden. So gut wie alle EU-Staaten liegen bei den Ausgaben bei über einem Prozent gemessen am BIP.

"Man muss die Struktur den neuen Gegebenheiten anpassen", sagte Klug bei der Präsentation des Reformkonzepts. Es sind durchaus massive Eingriffe, die das Bundesheer tragen wird müssen. Und es ist auch eine Reduktion aufs Wesentliche, auf die "einsatzwahrscheinlichsten Aufgaben", wie es der Minister formulierte. Künftig soll sich das Bundesheer auf den Schutz kritischer Infrastruktur konzentrieren, die Katastrophenhilfe, Luftraumüberwachung, Friedenssicherung im Ausland, die Ausbildung der Grundwehrdiener sowie die Abwehr von Bedrohungen aus dem Cyberraum.

Weniger Beschäftigte

Schweres Gerät braucht es dafür kaum, daher sollen 25 Kampf- und 23 Bergepanzer sowie 424 Granatwerfer verkauft werden. Durch die strukturellen Änderungen will Klug 200 Millionen Euro pro Jahr einsparen, dazu kommen dann noch die Einmaleffekte durch die Verwertung von Liegenschaften.

Bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2018 soll die Reform abgeschlossen sein, laut Klug sollte das Bundesheer dann um 1400 Beschäftigte weniger haben, dafür zwölf neue Milizverbände.

Für Verfassungsrechtler Theo Öhlinger bewegt sich der Verteidigungsminister innerhalb jenes Rahmens, den ihm die Österreichische Sicherheitsstrategie vorgibt. "Die potenzielle Bedrohung ist ja als minimal anzusehen", sagt Öhlinger. "Aber es gibt keinen Zweifel daran, das man sich an der Grenze dessen bewegt, was heute noch zu machen wäre."

Kein Geld für Investitionen

In der erst im Vorjahr neu verabschiedeten Sicherheitsstrategie sind diese Aufgaben auch mehr oder weniger genau definiert, allerdings wird darin bei den Rahmenbedingungen für die "Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert" auch davon ausgegangen, dass die "Folgen des früheren Ost-West-Konflikts nicht mehr wie bisher die sicherheitspolitische Agenda bestimmen". Nicht einmal ein halbes Jahr später begannen die folgenschweren Demonstrationen auf dem Maidan in Kiew.

Gerald Klug bezeichnete die von ihm präsentierten Vorschläge als alternativlos, wenn auch schmerzhaft. Laut Generalstabschef Othmar Commenda gibt es kein Bataillon, das nicht betroffen sein wird. Das Gros des Budgets fließt in die Personalkosten, die allein 1,3 Milliarden Euro pro Jahr verschlingen, 500 Millionen Euro benötigt der laufende Betrieb. Damit bleibt also kaum noch etwas übrig für Investitionen. "Aber eine Armee, die nicht investiert, stirbt", sagt Klug.

ÖVP wenig begeistert

Die Reform soll nun wieder Spielraum schaffen, um Investitionen zu tätigen, in den Reihen des Bundesheers ist allerdings die Angst groß, dass genau dieser Spielraum in Zukunft wieder als Einsparungspotenzial gesehen werden könnte.

In den kommenden Wochen will Klug sein Konzept mit der ÖVP diskutieren, auch die Landeshauptleute wollen noch mitreden, etwa bei den geplanten Kasernenschließungen und der Reduktion der Militärmusikkapellen. ÖVP-Wehrsprecher Bernd Schönegger findet die Pläne "nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar". Für Schönegger ist das Konzept lediglich eine "Orientierung und Grundlage", aber "nicht die Vorwegnahme eines Ergebnisses".

Wenig Applaus erhielt Klug auch von der Opposition. FPÖ-Wehrsprecher Mario Kunasek sprach vom "Verlust der Kern-Fähigkeiten und -Kompetenzen des Heeres", Christoph Vavrik von den Neos bemängelte fehlende "Maßnahmen im Bereich des Besoldungsrechts, des Dienstrechts und vor allem der Verwaltung".

Für den grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz gehen die Reformen dagegen nicht weit genug. "Der Minister traut sich nicht, sämtliche Kampfpanzer und andere nicht benötigte Waffensysteme komplett stillzulegen und den Betrieb der Eurofighter endlich zu beenden." Gibt’s kein Sonderbudget vom Finanzminister 2015, werden die Flugzeuge aber ohnehin eher am Boden bleiben.