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Fast 46 Millionen moderne Sklaven weltweit

Von Konstanze Walther

Politik

Global Slavery Index: Flucht aus Krisenregionen wie Syrien macht Migranten anfälliger, in unmenschliche Abhängigkeiten zu geraten.


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London/Perth. Menschenhandel. Zwangsarbeit. Schuldknechtschaft. Zwangsheirat. Kommerzielle sexuelle Ausbeutung.

Diese Worte finden sich immer wieder im Global Slavery Index der australischen Walk Free Foundation. Die Studie untersucht, wie viele Menschen weltweit noch immer in Lebensumständen gefangen sind, aus denen sie sich nicht befreien können. Sie sind moderne Sklaven, obwohl die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte das Eigentum an Menschen verbietet.

Der diesjährige Global Slavery Index geht von 45,8 Millionen Menschen aus, die als moderne Sklaven leben - das entspricht der Bevölkerung von ganz Spanien. Ein deutlicher Anstieg: Bei der vorangegangenen Untersuchung 2014 waren es nur 35,8 Millionen Menschen. Das entspricht einem Zuwachs von fast 30 Prozent.

Laut Andrew Forrest, dem Gründer der Walk Free Foundation, sei die Steigerung zum einen auf die verbesserte Datenlage zurückzuführen. Zum anderen befürchte er aber auch, dass sich die globale Situation durch die Vertreibung und Migration aus Krisenzonen verschlechtert: Denn Menschen auf der Flucht laufen besonders Gefahr, in eine Form der modernen Sklaverei zu gelangen. Wurden in den Ländern des Mittleren Ostens und Nordafrikas früher eher Migranten aus Asien und aus Subsahara-Afrika ausgebeutet, habe sich die Situation aufgrund der Krisenherde verändert: Nun werden die Menschen aus der Region zunehmend selbst Opfer von Ausbeutung und Sklaverei. Sie werden zwangsrekrutiert, sowohl von staatlichen Armeen als auch von terroristischen Gruppierungen, und sie werden Opfer sexueller Ausbeutung. In Syrien leben etwa derzeit mehr als eine Viertelmillion Menschen als moderne Sklaven.

Schuldknechtschaft in Indien

Trauriger Spitzenreiter in absoluten Zahlen bleibt Indien: In dem Land mit der zweitgrößten Einwohnerzahl der Welt leben 18 Millionen Menschen - 1,4 Prozent der Bevölkerung - als moderne Sklaven. Begünstigt wird die Lage durch Industriesektoren, die billige Arbeiter benötigen, wie die Agrar- und Textilindustrie. In Indien ist besonders das Problem der Schuldknechtschaften zu beobachten. Die Thomson Reuters Foundation schilderte das Problem zuletzt anhand eines Falls von Mango-Pflückern: Die Familie lieh sich aus einer Notsituation einen Geldbetrag beim Plantagenbesitzer und musste die Summe - mit Zinsen nach Gutdünken des Kreditgebers - am Feld abarbeiten. Da sie keine Entlohnung erhielt, muss sie sich für das Überleben immer wieder Geldbeträge ausleihen - der Teufelskreis nimmt kein Ende.

Sklaven aus Osteuropa

Wer denkt, dass diese Probleme nur woanders existieren, irrt: In Europa leben zwar, verglichen mit Asien und Afrika, relativ wenige moderne Sklaven, aber der Kontinent ist vor allem eine Zieldestination für Menschenhandel, und, im Falle von Osteuropa, auch eine Region, in der die Ausbeutung von Menschen ihren Anfang nimmt. Der Global Slavery Report zitiert hier die jüngsten Eurostat Zahlen: 65 Prozent jener Opfer von Menschenhandel, die innerhalb der EU aufgegriffen werden, kommen aus Ländern der EU: Rumänien, Bulgarien, Litauen und der Slowakei. Die restlichen 35 Prozent kommen vor allem aus Nigeria, China und Brasilien. In Europa sind vor allem Zwangsarbeit und kommerzielle Sexarbeit die modernen Ausprägungen der Sklaverei. Auch Österreich ist nicht davon verschont. Laut dem Index leben 0,02 Prozent der Bevölkerung hierzulande als moderne Sklaven.