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"Fast alles hat Spaß gemacht"

Von Walter Hämmerle

Politik

Das Herz kann nicht mehr: Belastung zu groß. | Korinek hofft auf nahtlose Amtsübergabe. | Nur BZÖ "weint keine Träne nach". | Wien. Der Geist war willig, allein der Körper - in diesem Fall das Herz - versagte seine Zustimmung: Aus gesundheitlichen Gründen legt Verfassungsgerichtshof-Präsident Karl Korinek (67) völlig überraschend mit 30. April seine Funktion zurück.


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Er tue dies, so erklärte Korinek auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Mittwoch, auf dringende Empfehlung seines Arztes. Sein Herz sei, obwohl er einen Herzinfarkt vor 13 Jahren und eine mehrfache Bypass-Operation vor rund einem Jahr gut überstanden habe, dem Dauerstress nicht länger gewachsen.

Persönlich habe er diesen Entschluss erst am Dienstag, "nach einem langen, sehr langen Gespräch mit meinem Kardiologen" gefasst. Mit sich herumgetragen habe er diese Möglichkeit jedoch sehr wohl länger. Eine Alternative zum Rückritt sah er nicht: Während der Sessionen betrage die Arbeitsbelastung 70, 80 Wochenstunden, außerhalb auch gut 40 - "und leider kann ich nicht delegieren, ich will alles selber machen". Dieser Belastung sei er nicht mehr gewachsen.

Regierung überrascht

Am Mittwoch informierte Korinek Kollegen und Mitarbeiter im VfGH sowie den Kanzler. Dieser zeigte sich von dem Schritt ebenfalls überrascht. Zu möglichen Nachfolgern wollte Korinek nichts sagen, außer, dass sie über eine gute körperliche Konstitution verfügen sollten. Die Neuausschreibung des Postens des obersten Verfassungshüters könne sofort in die Wege geleitet werden. Dass er noch bis Ende April im Amt bleibe, gebe der Regierung Zeit, für eine nahtlose Übergabe an einen Nachfolger zu sorgen, hofft Korinek.

Ob die Politik ihm diesen Wunsch erfüllt, bleibt abzuwarten. Spontan wollten sich jedenfalls weder Bundeskanzler Alfred Gusenbauer noch Vizekanzler Wilhelm Molterer äußern.

Korinek beteuerte, der Schritt sei ihm nicht leicht gefallen. Im Rückblick auf seine Arbeit überwiege eindeutig die Freude: "Möglicherweise ist das viele Arbeiten an die Substanz gegangen, aber ich bereue es nicht. Alles, na ja fast alles, hat mir Spaß gemacht." Die Kärntner Ortstafel-Frage, wo der VfGH gleich in mehreren Erkenntnissen auf die Einhaltung des Staatsvertrags pochte, gehört nicht dazu, das spricht Korinek offen aus. FPÖ/BZÖ revanchierten sich mit herben Attacken auf den VfGH und Korinek persönlich.

Das Kärntner BZÖ wollte Korinek denn auch "keine Träne nachweinen", er trage für eine Reihe von Fehlurteilen die Verantwortung, erklärte Obmann Stefan Petzner. ÖVP-Chef Molterer würdigte Korinek als "Hüter der Verfassung", SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann meinte, Korinek habe sein Amt "stets mit der nötigen Unbestechlichkeit und Gewissenhaftigkeit sowie einem uneingeschränkten Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit ausgeübt". Grünen-Vizechefin Eva Glawischnig attestierte, Korinek sei "stets auf der Seite der Menschenrechte" gestanden. Für den VfGH selbst erklärte Vizepräsidentin Brigitte Bierlein, Korineks Ausscheiden sei ein großer Verlust.

Stichwort Verfassungsgerichtshof

Karl Korinek ist der siebte Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofs (VfGH) seit 1946. Derzeit besteht das Höchstgericht aus einem Präsidenten, einer Vizepräsidentin, zwölf weiteren Mitgliedern sowie sechs Ersatzmitgliedern. Diese kommen zum Einsatz, wenn ein ordentliches Mitglied wegen Befangenheit oder Krankheit ausfällt. Die Amtszeit der Verfassungsrichter und Ersatzmitglieder endet - sofern sie nicht wie Korinek selbst zurücktreten - mit Ablauf des Jahres, in dem sie ihr 70. Lebensjahr vollendet haben.

Mitglieder und Ersatzmitglieder werden vom Bundespräsidenten ernannt. Die Regierung hat das Vorschlagsrecht für Präsident und Vizepräsident und nominiert sechs Richter sowie drei Ersatzmitglieder. Die Übrigen Mitglieder nominieren National- und Bundesrat. Neben einem abgeschlossenen Jus-Studium ist eine mindestens zehnjährige Rechts-spezifische Tätigkeit (Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt, Universitätsprofessor) Voraussetzung dafür, um Mitglied des VfGH werden zu können.

Im Gegensatz zum Verwaltungsgerichtshof ist die Tätigkeit am VfGH für die Mitglieder ein reiner Nebenjob. Obwohl ihre Bestellung eine politische Entscheidung ist, agieren die Verfassungsrichter unabhängig und weisungsfrei.

Entscheidungen werden stets im Plenum aller 14 Richter getroffen. In der Praxis sind jedoch nur selten alle Mitglieder anwesend. Beschlüsse werden mit absoluter Stimmenmehrheit gefasst, wobei der Vorsitzende nicht mitstimmt und nur bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt. Der VfGH entscheidet jährlich über 2000 bis 3000 Fälle.

Seine Ursprünge hat der Verfassungsgerichtshof im Reichsgericht und im Staatsgerichtshof der Monarchie, deren Aufgaben er 1919 übernahm. Nachdem der VfGH durch Ständestaat und NS-Herrschaft seiner verfassungsrechtlichen Kompetenzen beraubt worden war, wurde er 1945 wieder eingerichtet und nahm im Jahr darauf seine Tätigkeit auf. Im Laufe der Jahre wurden seine Befugnisse und Aufgaben stetig weiterentwickelt. Heute entscheidet der VfGH im einzelnen über:

Beschwerden gegen Bescheide,

Verfassungswidrigkeit von Gesetzen,

Gesetzwidrigkeit von Verordnungen und Überschreitung der Wiederverlautbarungs-Ermächtigung,

Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen,

Wahlanfechtungen,

Anfechtungen von Volksbegehren, -befragungen und -abstimmungen,

Verlust von Mandaten,

Klagen gegen die Gebietskörperschaften wegen bestimmter vermögensrechtlicher Ansprüche,

Kompetenzfeststellungen und -konflikte, sowie

Anklagen gegen Staatsorgane.