"Fast die Quadratur des Kreises" nennt Nationalratspräsident Andreas Khol im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" das Ziel von Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer, sich das Vorkaufsrecht an einem möglichen Voest-Aktienverkauf zweier oberösterreichischer Banken zu sichern. Die derzeitigen Misstöne in der Koalition will Khol nicht überbewerten: Manchmal sei man eben gut drauf, manchmal schlecht.
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"Wiener Zeitung": Mit "Genügend Minus" beurteilte Vizekanzler Herbert Haupt am Wochenende das Klima innerhalb der Koalition. Eine spontane Reaktion auf die Enttäuschung der FPÖ angesichts der Voest-Privatisierung oder eine nüchterne Einschätzung des aktuellen Zustandes?
Andreas Khol: Ich halte nicht viel von solchen Benotungen. Sie spiegeln oft nur die persönlichen Befindlichkeiten wider. Manchmal ist man eben gut drauf und manchmal schlecht. Die Leistungen der Koalition sind gut.
"Wiener Zeitung": Trotzdem ist es von "Genügend Minus" nur noch ein kleiner Schritt bis zum "Nicht Genügend". Wird die Koalition angesichts dessen, dass die Diskussionen ja längst noch nicht beendet sind, diesmal bis zum Ende durchhalten?
Andreas Khol: Was die Voest angeht, so sehe ich diese Frage auf Schiene: Eine hundertprozentige Privatisierung ist angesagt. Aber man wird das erst am 19. September, wenn das Bookbuilding für den Börsegang abgeschlossen ist, endgültig beurteilen können. Insgesamt glaube ich, dass hier mit viel Sorgfalt und Gesetzestreue vorgegangen wird. Ich sage immer, an ihren Früchten sollt Ihr sie erkennen.
"Wiener Zeitung": Aber kann man das, was Landeshauptmann Pühringer in Sachen Voest jetzt plant, als hundertprozentige Privatisierung bezeichnen?
Andreas Khol: Für mich ist wichtig, dass die wirtschaftlichen und personellen Entscheidungen im Aufsichtsrat und im Vorstand fallen und nicht in Parteisekretariaten - egal welcher politischen Partei. Das Ziel einer hundertprozentigen Privatisierung ist nicht beeinträchtigt, wenn Unternehmen, die im Besitz des Landes Oberösterreich stehen, sich an der Voest beteiligen.
"Wiener Zeitung": Das Land hat sich aber auch Vorkaufsrechte an der Voest gesichert.
Andreas Khol: Das ist ein kluger Schachzug, das ist fast die Quadratur des Kreises. Wenn das dem Land gelingt, hat man zusammen mit den 10 Prozent der Mitarbeiterbeteiligung die Sicherheit eines österreichischen Kernaktionärs.
"Wiener Zeitung": Dank der Bundesregierung verringern sich die Chancen der oberösterreichischen ÖVP auf einen guten Erfolg bei der Landtagswahl am 28. September.
Andreas Khol: Abgerechnet wird immer zum Schluss. Erst dann sieht man, was wie wichtig war. Die Voest ist zwar ein dominantes Wahlkampfthema, Analysten messen dem aber keinen großen Einfluss auf die Wahlentscheidung bei.
"Wiener Zeitung": Der Nationalrat war - Dank zweier Sondersitzungen, die jeweils von der SPÖ beantragt wurden - den ganzen Sommer über sehr präsent. An den Sondersitzungen wurde aber auch Kritik geübt, nicht zuletzt an den Kosten, die dadurch entstehen. Können Sie diese Kritik als Nationalratspräsident nachvollziehen?
Andreas Khol: Die Themen beider Sondersitzungen waren spannend und zugleich wichtig. Sowohl beim Thema Steuerreform als auch in der Frage der Managerverträge in der ÖIAG ist es dabei zu Klarstellungen gekommen, wenngleich nicht immer im Sinne derjenigen, auf deren Begehren hin die Sondersitzungen einberufen wurden. Zum Kostenargument: Natürlich kosten Sondersitzungen etwas, aber Demokratie kostet eben Geld.
"Wiener Zeitung": Das Kabinett Schüssel I scheiterte vor fast genau einem Jahr an der Frage der Steuerreform. Auch jetzt gibt es hier unterschiedliche Meinungen in der Koalition. Infrastrukturminister Gorbach hat im August in einem Interview mit der "Wiener Zeitung" gemeint, die Koalition befinde sich in einem Prozess des "Zusammenraufens". Sehen Sie Anzeichen für ein solches Aufeinanderzugehen?
Andreas Khol: Ich kann das nicht kommentieren. Die bevollmächtigten Verhandler in dieser Frage heißen Günther Stummvoll und Thomas Prinzhorn. Ich bin dafür, nicht Probleme, sondern Lösungen zu verkünden.
"Wiener Zeitung": In der ersten schwarz-blauen Koalition hat die Regierung versucht, vor allem die harmonische Partnerschaft in den Vordergrund zu stellen. Das hat, wie das Wahlergebnis gezeigt hat, für die FPÖ nicht wirklich zum Erfolg geführt. Nun probiert sie, mit einem kantigeren Kurs innerhalb der Regierung an Profil zu gewinnen. Die ÖVP hat ja selbst in der Zeit der Großen Koalition von 1986 bis 1999 die leidvolle Erfahrung des Juniorpartners gehabt. Haben Sie deshalb Verständnis für die Profilierungsnöte der Freiheitlichen?
Andreas Khol: Man soll nie die eigene Vergangenheit vergessen. Auch wir sind damals vor der Entscheidung gestanden, machen wir Opposition in der Regierung oder arbeiten wir gemeinsam und verkaufen dann die Ergebnisse. Diese Diskussion ging bei uns hin und her. Stichworte: Kuschelkurs, Eiszeit. Daher verstehe ich auch die Probleme der FPÖ. Wenn wir versucht haben, unser Profil zu schärfen, hieß es immer nur, die Koalition streitet. Die Österreicher lieben eben keinen Streit. Es herrscht großes Harmoniebedürfnis in diesem Land. Selbst nach dem Scheitern der Regierungsverhandlungen mit der SPÖ wollte die Mehrheit der Bevölkerung eine Fortsetzung der großen Koalition.
"Wiener Zeitung": Verfassungsexperten bescheingten dem Entschließungsantrag der beiden Regierungsparteien in Sachen Voest, rechtlich nicht bindend zu sein. Entscheidend sei vielmehr, was die Regierung mache. Missfällt Ihnen als Nationalratspräsident diese Geringschätzung einer Meinungsäußerung des Parlaments?
Andreas Khol: Ein Entschließungsantrag der Regierungsparteien ist in der Regel mit der Regierung abgesprochen und daher mehr als nur ein unverbindlicher Ratschlag. Er ist die gemeinsame Regierungslinie der beiden Koalitionsparteien. Wie weit diese gemeinsame Regierungslinie umgesetzt wird, wird man erst nach der Privatisierung der Voest beurteilen können.
"Wiener Zeitung": Angenommen, die Umsetzung entspricht nicht dem Antrag?
Andreas Khol: FPÖ-Generalsekretärin Magda Bleckmann hat mich aufgefordert, ich möge die Umsetzung der Entscheidung beobachten. Ich werde das sehr genau tun, wenn es so weit ist.
"Wiener Zeitung": Die ÖVP versucht derzeit eine Wertediskussion zu führen. Irgendwie hat man aber den Eindruck, dies will nicht so recht gelingen. Aller Voraussicht nach wird die öffentliche Diskussion in spätestens ein bis zwei Wochen wieder vorüber sein.
Andreas Khol: Ich glaube nicht, dass diese Diskussion in ein bis zwei Wochen wieder versandet. Im Gegenteil: Die Debatte wird immer umfassender, da sich nun auch gesellschaftspolitisch relevante Persönlichkeiten außerhalb der politischen Parteien zu Wort melden, wie kürzlich etwa Bischof Egon Kappelari. Es geht jetzt nicht mehr nur um den Gesichtspunkt der Kinder, sondern auch um das Schulsystem oder den Schutz des Lebens. Die Diskussion um die Situation in Pflegeheimen dreht sich genau um diese Fragen. Aber auch die Debatte um die Privatisierung ist in ihrem Kern eine Grundwertediskussion. Hinter scheinbar technischen Fragen steht eine Grundwerteentscheidung.
"Wiener Zeitung": Waren die aufgeregten Debatten über Steuerreform und Voest-Privatisierung im Sommer nur der Auftakt für einen noch heißeren Herbst? Dann stehen ja mit der Harmonisierung der Pensionssysteme oder der Gesundheitsreform noch weitere sehr konfliktträchtige Projekte an.
Andreas Khol: Was die Harmonisierung angeht, wo es bis zum Jahresende eine Einigung geben soll, so arbeiten die Experten daran.
"Wiener Zeitung": Kann der Zeitplan für die Harmonisierung eingehalten werden?
Andreas Khol: Das weiß ich nicht. Die Experten und Politiker arbeiten daran. Es ist besser, Lösungen zu erarbeiten als Probleme zu verkünden. Außerdem stehen mit der Heeresreformkommission, dem Österreich-Konvent, der Forschungsreform und der Ratifizierung und Vorbereitung der EU-Erweiterung noch weitere wichtige Themen im Herbst zur Bewältigung an.
Das Gespräch führten Brigitte Pechar und Walter Hämmerle