94 Prozent aller Zölle fallen innerhalb von drei Jahren. | Südkoreanische Freihandelsgegner protestieren. | Abkommen mit der EU angestrebt. | Seoul. Am Sonntag landete ein Taxifahrer im Krankenhaus, nachdem er sich selbst angezündet hatte. "Nieder mit den Verhandlungen, die uns die Arbeit kosten", soll er vor seiner Tat geschrieen haben. Am Montag folgte eine telefonische Bombendrohung. Aber alle Proteste der Aktivisten in Seoul blieben vergeblich: Südkorea und die USA schlossen nach zehnmonatigen Verhandlungen ein Freihandelsabkommen.
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Worum es für die US-Amerikaner bei dem Vertrag geht, macht der Straßenverkehr in Südkorea augenfällig. Zwar erinnert manches an Europa: Viele Fabrikate von KIA, Hyundai oder Ssangjong sind auch dort heimisch, die Fronten vieler großer Limousinen ähneln frappant denen alter Mercedes-Modelle. Aber fast alle Autos stammen aus Südkorea. Nur 4000 Fahrzeuge wurden im Vorjahr importiert, während 800.000 ins Ausland gingen.
Das Land ist eine der stärksten Exportnationen der Welt. Gegen viele Produkte von außen wurde der Markt aber bisher abgeschottet. Dabei geht es nicht nur um Automobile, sondern auch um Lebensmittel und Textilen. Ausländischer Reis hatte bisher keine Chance. US-Rindfleisch ist seit drei Jahren mit einem Bann belegt, weil damals BSE in den Vereinigten Staaten festgestellt worden war.
Die Verhandlungen hätten schon Freitag beendet werden sollen, die Frist wurde aber verlängert.
Kleinere Autos
ab sofort zollfrei
Konkret einigten sich die USA und Südkorea darauf, 94 Prozent aller Güterzölle innerhalb von drei Jahren zu streichen. Bei Autos mit einem Hubraum von weniger als 3000 cm 3 fallen sofort sämtliche Zölle weg, bei allen leistungsfähigeren Fahrzeugen spätestens nach drei Jahren. Im Bereich der Textilien sollen 61 Prozent der Zölle wegfallen. Zusätzlich sollen koreanische Herrenhemden auch dann in die USA exportiert werden dürfen, wenn das verarbeitete Garn nicht aus Korea stammt.
Bei Rindfleisch sollen sämtliche Zölle in den nächsten 15 Jahren wegfallen. Die USA sollen so rasch wie möglich wieder Fleisch nach Südkorea exportieren dürfen. Keine Veränderung gibt es allerdings in einem für Korea besonders sensiblen Bereich: Reis bleibt vom Freihandelsabkommen ausgenommen.
Wichtigstes Abkommen für USA seit Nafta
Für die US-Regierung war es das wichtigste Handelsabkommen seit der Bildung der nordamerikanischen Freihandelszone. Das gegenseitige Handelsvolumen, im Vorjahr 75 Mrd. Dollar, soll dadurch um weitere 20 Mrd. erhöht werden. Die USA wollen zudem dem freien Handel durch bilaterale Verträge neuen Schwung verleihen, nachdem die Gespräche innerhalb der Welthandelsorganisation WTO nicht vom Fleck kommen.
Südkoreas Präsident Roh Moo-hyun wiederum hofft auf mehr ausländische Investitionen und dadurch auf neuen Schwung für die Ökonomie, deren Wachstumsraten von fast 10% in den 90er Jahren auf rund 5% zurückgegangen sind. Nachbarlände wie China und Japan sind heute stärker - dafür ist Südkorea nun das erste Land, das große Handelsbarrieren mit seinem wichtigsten Partner abbaut.
Wenn das südkoreanische Parlament und der US-Kongress das Abkommen billigen, dürften weitere Schritte folgen: Auch mit Kanada laufen schon lange Gespräche, und Roh hat gegenüber seinem österreichischen Staatsgast Heinz Fischer eine Botschaft an die EU parat - er erwartet noch im ersten Halbjahr 2007 die Aufnahme von Freihandelsverhandlungen mit den Europäern.
Diese müssten tatsächlich schnell erfolgen, meint Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, dem ein solches Abkommen innerhalb der WTO lieber gewesen wäre. Fehlt ein entsprechendes Äquivalent mit den Europäern, bekämen die Amerikaner einen zu großen Vorsprung.
Die Reisetipps für Unternehmen, die Leitls Organisation erstellt hat, deuten allerdings darauf hin, dass auch der EU ein zähes Ringen bevorsteht. Man solle lieber damit rechnen, ein oder zwei Tage anhängen zu müssen, heißt es dort. Die koreanische Taktik sehe vor, Substanzielles erst am letzten Nachmittag zu verhandeln.