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Wirtschaftliche Zusammenarbeit droht in der Praxis zu scheitern. | Mitgliedstaaten wehren sich gegen allzu strenge EU-Vorschläge. | Brüssel. Eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit der EU-Staaten und deren Überwachung durch die Kommission war eine der zentralen Lehren, welche aus der verheerenden Finanz- und Wirtschaftskrise gezogen werden sollte.
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Doch schon bei der ersten Bewährungsprobe sind viele Mitgliedsländer davon gar nicht mehr so begeistert. Gegen die Reform- und Sparvorschläge der EU-Kommission im Rahmen des sogenannten Europäischen Semesters formiert sich breiter Widerstand.
Laue Verpflichtungen
Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs kommende Woche drohen daher nur noch laue Selbstverpflichtungen verabschiedet zu werden. Die Kommission warnt eindringlich davor, ihre Vorschläge zu verwässern. Es handle sich um einen "Glaubwürdigkeitstest für die verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit", hieß es. Ziel der Veranstaltung sei es, das Vertrauen der Marktteilnehmer wieder zu erlangen. Sollten die EU-Vorgaben wesentlich abgeschwächt werden, würde dieses Ziel verfehlt.
Doch auch Österreich soll deutliche Vorbehalte gegen die ungewöhnlich harten "Empfehlungen" der EU-Kommission von letzter Woche haben. Vor allem, dass laut Brüssel die Frühpensionierungen drastisch gesenkt und das Pensionsalter für Frauen rascher angehoben werden soll, will Wien nicht so stehen lassen.
Zahlreiche Länder haben ihrerseits Probleme mit den Berichten der Kommission. Das derzeitige EU-Vorsitzland Ungarn beschwerte sich formell, dass die Mitgliedstaaten zu wenig Zeit hatten, die "Empfehlungen" ausführlich zu prüfen. Von der Vorlage bis zur Verabschiedung beim EU-Gipfel liegen nur gut zwei Wochen. Die zuständigen Diplomaten seien "nächtelang gesessen", hieß es, um die Texte zu analysieren und Änderungswünsche zu deponieren.
Hoher Erklärungsbedarf
Doch worum geht es überhaupt: Als erstes Element einer Art Wirtschaftsregierung hatten die Finanzminister letzten September das "Europäische Semester" verabschiedet. Die EU-Kommission sollte demnach vorab die Haushaltspläne für die kommenden Jahre und die Reformprogramme der Mitgliedsländer bewerten und Verbesserungsvorschläge machen, welche der besseren Wettbewerbsfähigkeit und Entschuldung der EU als Ganzes dienen soll.
Binnen 12 bis 18 Monaten müssten konkrete Empfehlungen umgesetzt werden. Sollte ein Land das nicht schaffen oder nicht wollen, gibt es zwar keine wirklichen Sanktionen. Der säumige Mitgliedstaat wird jedoch öffentlich angeprangert - der Regierungschef muss seinen Kollegen erklären, warum die Vorgaben nicht erreicht wurden.
Daher drängen nicht wenige Mitgliedstaaten darauf, die Selbstverpflichtungen milder ausfallen zu lassen als die Vorlagen der EU-Kommission. Frankreich hat sich beschwert, dass es sein Pensionsalter ohnehin gerade erhöht habe und das gegen die öffentliche Meinung nicht so rasch wieder möglich sei. Einige Länder finden die Verlagerung der Steuern von der Arbeit auf den Konsum kontraproduktiv. Österreich sperrt sich vor allem gegen das Auslaufen der Hacklerregelung und eine raschere Anhebung des Frauenpensionsalters von 60 auf 65 Jahre. Im ersten Fall sei der Zugang zu den Frühpensionen für Langzeitversicherte ab 2014 ohnehin strenger geregelt, im zweiten Fall will Wien offenbar am Stufenplan bis 2033 festhalten.
Ambitionierteres Sparen
Wie Österreich die vorgeschlagene jährliche Reduzierung des Haushaltsdefizits um 0,75 Prozent für 2012 und 2013 und eine baldige Verwaltungsreform zwischen Bund und Ländern schaffen soll, ist offen. Ob hier Umformulierungen angestrebt werden, stellt sich spätestens beim Treffen der Finanzminister am Montag heraus.