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Fast wie beim Fendrich

Von Simon Rosner

Politik

Die Regierung geht erstmals gemeinsam auf Österreich-Tournee.


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Wien. Auf dem Kohlmarkt in Wien stehen dutzende Autos statt Touristengruppen. Oben, am Michaelerplatz sind die Schanigärten voll besetzt, als wäre es Mai, und in der Hofburg tritt gerade die österreichische Regierungsspitze in Kontakt mit "ganz normalen Bürgern". An diesem Mittwoch ist nichts, wie es normalerweise ist.

Gewöhnlicherweise beschränkt sich Bürgernähe der Regierenden auf das enge Gebiet zwischen Parlament und Café Landmann, dafür wird dann dort auch jeder gegrüßt. Vor Wahlen ist das anders, denn da ruht die Regierungsarbeit weitgehend und es bleibt Zeit für: "rausgehen" und "mit den Menschen reden". Weit über die Grenzen des ersten Wiener Bezirks hinaus.

Die Erfahrungen, die Politiker bei derartigen Reisen machen, müssen sehr wertvoll für sie sein. Denn im Wahlkampf bauen sie immer wieder ihre Argumente auf eben diesen Besuchen in ganz Österreich auf. Man hört dann Sätze wie: "Ich war draußen bei den Menschen" und "Ich hab’ mit den Bürgern gesprochen", gefolgt von Rückschlüssen aus diesen Treffen und, da und dort, sogar Ideen.

Auf der Suche nach dem "neuen Stil"

Vielleicht war es auch eine dieser Reisen durch Österreich, die Kanzler Werner Faymann und seinen Vize Michael Spindelegger dazu inspirierte, nach der Nationalratswahl den "neuen Stil" auszurufen. Seither wird dieser recht offene Begriff mit Tatsachen und Deutungen gefüllt - oder zumindest dem Versuch davon.

Ist die aktivere Informationspolitik gegenüber der Opposition in der Causa Hypo Alpe Adria der "neue Stil"? Die auffallend häufige Betonung des Gemeinsamen (inklusive des gemeinsamen Fernbleibens von Kanzler und Vizekanzler beim Pressefoyer)?

Betriebsbesuche nicht mehr als Parteiveranstaltung

Am Mittwoch, unter den Dachgiebeln der Hofburg, präsentierte die nahezu vollständig vertretene Regierung ihr jüngstes und auch dem "neuen Stil" entsprungene Projekt: "Erfolgreich. Österreich." Bis Ende April werden alle Minister sowie der Bundeskanzler auf Österreich-Tournee in alle Bundesländer gehen, fast so, wie es derzeit auch Rainhard Fendrich mit seiner neuen Platte macht.

Wie die Auftaktveranstaltung am Mittwoch zeigte, werden auf dieser Tournee, und nicht nur auf jener Fendrichs, auch einige alte Hits zu hören sein. So brachte Michael Spindelegger den Evergreen "Wir wollen das Gemeinsame ins Zentrum stellen", von Kanzler Werner Faymann kam "Wir haben die Krise besser bewältigt als andere."

Doch neu ist sicher, dass nicht die Parteien ihre Spitzenpolitiker in Betriebe und Schulen schicken, sondern die Regierung diese Termine gemeinsam absolviert. Im Zwiegespräch mit Verärgerten kann also nicht mehr auf eine Blockade des Koalitionspartners verwiesen werden, die Regierung muss vielmehr ihre Arbeit gemeinsam verteidigen. Kanzler und Vizekanzler treten am 28. März in Vorarlberg auf, gleichzeitig diskutieren Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner in Oberösterreich mit den Bürgern. "Sie haben das Recht darauf, dass wir Rede und Antwort stehen. Es ist wichtig, dass wir uns diesen Diskussionen konkret stellen", sagt Faymann.

Der Termin am Mittwoch war freilich nur eine Art Generalprobe für die Tournee. Das Ambiente in der Hofburg war nicht geeignet, damit zumindest halbwegs lockere Diskussionen zustande kommen. Zudem verrieten eindeutige Anstecknadeln an dutzenden Revers, vom Giebelkreuz bis zum Gewerkschaftslogo, dass es für die Regierung doch ein Heimspiel war, auch wenn Parteigänger auch "ganz normale Bürger" sind.

Keine Fragen zur Hypo Alpe Adria

Faymann und Spindelegger blieben jedenfalls allzu unangenehme Fragen erspart, obwohl Moderator Gerald Grosz noch eingangs darauf verwies, dass es "keine Tabus" gebe. Gut möglich, dass auf Tournee der Regierung dann ein etwas anderer Wind entgegenwehen wird. Doch am Mittwoch wurde selbst das derzeit alles beherrschende Thema, die Abwicklung der Pleitebank Hypo Alpe Adria, nur am Rande erwähnt.

Zu den geladenen Gästen zählte auch eine sechste Klasse des Wiener Gymnasiums in der Wasagasse. Die Hypo, erzählen Dora, Raphaela und Julie, sei zwar sehr wohl ein Thema für sie und Fragen dazu seien auch angedacht worden. "Aber wir haben geglaubt, dass das sowieso gefragt wird." Also entschieden sie sich für Fragen zum Thema Bildung, "weil uns das direkt betrifft".

FPÖ als gemeinsamer Gegner der Regierung

Geht es nach dem Befund der Schülerinnen und Schüler, müssen die Politiker vor dem richtigen Start zu ihrer Österreich-Tournee noch argumentativ nachrüsten. "Wir haben nur unkonkrete Antworten bekommen", beschwerte sich eine Schülerin, ihre Klassenkolleginnen pflichteten ihr bei. Der Aufregung, mit der Regierungsspitze in direkten Kontakt treten zu können, folgte eine Enttäuschung. Und das wird wohl auch bei den anderen Terminen eine der Gefahren für die Regierungspolitiker sein, wenn sie sich der Diskussion stellen.

Denn ein 124-seitiges Arbeitsprogramm vorzustellen, samt den dahinterliegenden Ideologien und Strategien, ist kein einfaches Unterfangen, und noch schwieriger ist es, wenn nur kurz Zeit für Erklärungen ist. Viel mehr als ein Gefühl, was die Regierung genau will und wie sie das bis 2018 umsetzen will, wird auch auf der Tournee kaum zu vermitteln sein.

"Erfolgreich.Österreich." ist daher wohl als Versuch zu verstehen, der Regierung in ihrer Gesamtheit ein positiveres Profil zu verpassen, als sie es derzeit hat. Denn beide Regierungsparteien haben auch einen gemeinsamen Gegner, der im Sommer bei den Wahlen zum Europäischen Parlament sowohl SPÖ als auch ÖVP in eine tiefe Krise stürzen kann.

Die FPÖ, die sich trotz weitgehender öffentlicher Absenz ihres Parteichefs Heinz-Christian Strache wieder einmal in einem Umfragehoch befindet, wurde von Faymann und auch Spindelegger angegriffen: als Verursacher des Hypo-Desasters, als Hetzer gegen die EU und Befürworter eines neuen Nationalismus, der den Frieden in Europa gefährde.

Die FPÖ als ständige Bedrohung ist offensichtlich einer der einigenden Faktoren dieser Koalition, das machte auch dieses neue Projekt bewusst. Doch Spindelegger fand auch andere Gemeinsamkeiten, als der Kanzler auf eine kritische Frage zum Wirtschaftsstandort mit einem Plädoyer für das Unternehmertum in diesem Land antwortete. "Werner Faymann ist ein Unternehmerfreund, wie wir gerade gelernt haben, und ich bin für die soziale Sicherheit."

Ja, an diesem Mittwoch war tatsächlich nichts, wie es normalerweise ist. Als die Auftaktveranstaltung gegen Mittag zu einem Ende kam und Kanzler und Vizekanzler längst anderswo über die Hypo verhandelten, war immerhin der Kohlmarkt wieder autofrei. Und voll mit Touristen. Wie es sich eben gehört.