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Faszination Slacklining

Von Petra Muckenschnabel

Reflexionen

Angefangen hat die Geschichte in den sechziger Jahren, und zwar im Yosemite-Nationalpark, Kalifornien. Dort nämlich vertrieben sich die Kletterer Jeff Ellington und Adam Grosowsky bei Schlechtwetter die Zeit damit, an Parkplätzen auf Absperrseilen oder -ketten, den sogenannten Slackchains, zu balancieren: Das Slacklining war geboren.


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Ellington und Grosowsky benutzten daraufhin ihr Klettermaterial immer öfter als "Slacklines", da sie nicht nur Gefallen an ihrem neuen Hobby fanden, sondern auch einen hervorragenden Trainingseffekt hinsichtlich ihrer Koordinationsfähigkeit feststellten.Auch der Tiroler Extrembergsteiger und Fotograf Heinz Zak hatte diese Ursprünge live miterlebt und machte diesen Trend zur Jahrtausendwende auch in unseren Breiten populär.

Wörtlich übersetzt bedeutet der englische Begriff slacklining, auch slacken oder slacklinen genannt, "schlaffes, nicht gespanntes Band".Tatsächlich bedeutet Slacklining: Man balanciert auf einem Gurt- oder Schlauchband, das zwischen zwei Befestigungspunkten gespannt ist.

Geschichte des Seiltanzes

Das Balancieren als Kunstform lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen. Schon 260 vor Christus war der lateinische Begriff Funambulus ("funis" = Seil, "ambulare" = gehen) gebräuchlich. Damals wurden noch Seile aus Hanf oder gar Darmsaiten verwendet. In Asien zum Beispiel wurden Seile als Vorläufer moderner Brücken zum Überqueren von Schluchten gespannt. Im Mittelalter tauchte schließlich auch in Europa erstmals der Seiltanz auf. Das Hanfseil wurde letztendlich im 20. Jahrhundert vom Drahtseil abgelöst, welches wir von spektakulären Zirkusattraktionen her kennen.

Natürlich fühlt man sich beim Slacklining an den Seiltanz erinnert, doch die Slackline wird im Gegensatz zum Straffseil mit weniger Spannung aufgehängt. Slackliner balancieren (meist) nicht der Zuschauer wegen, sondern zu Selbstzwecken.

Get on line

Der neue Trend im Freizeitsport erobert zurzeit auch Österreichs Parks und Freizeitanlagen: In Innsbruck wurde letztes Jahr sogar der erste "Slackline-Park" eröffnet. Als begehrte Treffpunkte in Wien gelten der Augarten, der Türkenschanzpark, der Campus im alten AKH oder die Donauinsel (Kletterpark im Gänsehäufel). Doch am liebsten trifft sich die Wiener "Slacker-Szene" auf der Jesuitenwiese im Prater, obwohl man sich eigentlich (noch) nicht als "Szene" sieht. So existiert, im Gegensatz zur Snowboard- oder Skate-Szene, keine spezielle Mode oder Musik der Slackliner und noch zählen sie auch nicht zum gewohnten Stadtbild wie etwa die Frisbee- oder Fußballspieler.

Muskelkater garantiert

Thomas Aigner, Medizinstudent und begeisterter Slacker: "Das Slacken im Augarten ist die ideale Entspannung in meinen Lernpausen. Die ersten Schritte gelangen mir erst nach einer Stunde, aber dann wollte ich gar nicht mehr runter von der Line. Aber in den ersten Wochen hatte ich oft einen höllischen Muskelkater!"

Der sportliche Aspekt sollte hierbei also nicht unterschätzt werden: Durch die ständige Körperspannung werden die Stützmuskulatur und diverse Muskeln beansprucht, deren Existenz man sich vorher gar nicht bewusst war. Leichte seitliche Schwingbewegungen ermöglichen es, das Gleichgewicht zu halten. Im Gegensatz zum Seiltanz wird die Balance eher durch die Beine als durch den Oberkörper erreicht. Dadurch werden effektiv Koordination und Herz-Kreislauf-System trainiert, da vor allem jene Anteile der Muskulatur mit hohem Sauerstoffbedarf beansprucht werden.

Hardware

Das wichtigste Utensil stellt natürlich die "Slackline" selbst dar. Dabei handelt es sich um ein ungefähr 25 Millimeter breites Polyamid-Schlauchband von einer variablen Länge von sechs bis hundert Metern oder mehr. An den Enden der elastischen Line sitzen fix vernähte Befestigungsschlingen. Auf der einen Seite wird ein Schraubkarabiner befestigt, wobei nur Stahlkarabiner wegen der hohen Bruchlast zum Einsatz kommen sollten. Auf der anderen Seite wird die Line mittels Hubzug oder Zurrgurtratsche gespannt.

Baumschoner

Das Band lässt sich mit relativ wenig Aufwand leicht zwischen zwei gleich hohen soliden Befestigungen spannen. Als Fixpunkte eignen sich Geländer, Felsen, Bohrhaken oder Bäume. Bei Letzteren sollte man zum Schutz der Rinde spezielle Schongurte, Autofußmatten oder alte Teppiche verwenden. Beim Indoor Slacklining dienen meist Reckstangen als Baumstammersatz. Angenehm dämpfende Weichbodenmatten schützen besonders Anfänger bei einem eventuellen Absturz - in freier Natur hingegen dienen Wiesen als Aufprallpuffer.

Marion Por, Verkäuferin in der Outdoor-Abteilung bei Sports Experts SCS: "Qualitativ hochwertige Sets kosten im Sportfachhandel zwischen 50 und 200 Euro. Neben lockerer Freizeitbekleidung benötigt man nur noch möglichst profillose Sportschuhe oder besser noch: man läuft barfuß… Unsere Kunden sind zwischen 20 und 30 Jahre alt, doch auch Kinder wünschen sich bereits eine Slackline für den Garten."

Fünf Typen von Slacklines werden im Wesentlichen durch Höhe, Länge und Art der Aufhängung und weiters durch Elastizität und Breite des Bandes unterschieden:

Lowline/Trickline: Diese Standardline für den Hobbysportler wird meist zwischen Bäumen knie- bis hüfthoch aufgehängt und lädt zu ersten Balancierversuchen ein. Damit man anfangs einmal ein Gefühl für die Line bekommt, wäre ein Stock zum Abstützen oder die Hand eines Freundes vorteilhaft. Das Seil schwingt übrigens umso stärker, je mehr man sich der Mitte nähert.

Long Line: Auf der Long Line wird versucht, eine möglichst lange Distanz zu überbrücken, wobei man äußerst konzentriert und ruhig gehen muss, damit diese nicht zu sehr schwingt. Schon das Aufhängen erfordert hohen Anspruch an Mensch und Material.

Highline: Diese wird in mehreren hundert Metern Höhe angebracht und nie ohne Klettergurt begangen. Zusätzlich sichert ein parallel verlaufendes Seil den Sportler ab.

Rodeo- bzw. Freestyle-Line: Diese Lines werden nicht fest gespannt, also wirklich "slack" aufgehängt. Das Begehen ist äußerst schwierig. Vorsicht: Hohe Verletzungsgefahr!

Waterline: Diese über Wasser gespannte Line wird entweder über stehenden oder fließenden Gewässern befestigt. Die Wasserbewegung irritiert jedoch erheblich das Gleichgewichtsempfinden. Andererseits bietet die Waterline eine optimale Möglichkeit zum Üben von ersten Tricks und Sprüngen.

Es lohnt sich also auf alle Fälle, diesen neuen Trendsport einmal auszuprobieren. Verbindet er doch in optimaler Art und Weise Naturerlebnis mit sportlicher Grenzerfahrung und Freiheitsgefühl.

Noch ein Tipp für den Einstieg: Nie die Line selbst, sondern deren Ende oder einen Punkt in der Ferne fixieren.

Info

www.slackline-coach.at

Dr_Slack, Bürgerspitalgasse 8/10

1060 Wien, T: 0699/11564115

(laufend Slackline-Kurse und -Workshops - vom Anfänger bis zum Profi)

+++ Slackline-Sets und Zubehör.

www.slackline-schwanda.at

Bergsport Schwanda, Bäckerstraße 7

1010 Wien, T: 01/5125320

www.bergfuchs.at

+++ Literaturempfehlung.

Miller, Fritz/Friesinger,

Franzi: Slackline - Tipps, Tricks,

Technik, Panico - Alpinverlag, Köngen, 2009, 168 Seiten, 16.80 Euro