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Führungsmängel, Streit, Korruption ließen Hamas siegen. | Ramallah. (ap) Die alten Dämonen der Fatah - Führungsschwäche, engstirnige Streitereien und Korruption - haben zu ihrer Niederlage gegen die Hamas im Gaza-Streifen beigetragen. Während die radikalislamische Organisation systematisch Waffen hortete oder selbst herstellte, versäumte es die traditionsreiche Fatah von Präsident Mahmoud Abbas, sich auf den unausweichlichen Showdown mit den Islamisten vorzubereiten. Ihre Kämpfer wurden von den disziplinierten Hamas-Milizionären geschlagen und überrannt.
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Viele Palästinenser im Westjordanland, die die militärische Niederlage im Fernsehen verfolgten, machten Abbas verantwortlich und warfen ihm Unentschlossenheit und zu langes Festhalten an einer überparteilichen Rolle vor. Noch am Mittwoch versuchte der Präsident und Fatah-Chef, eine neutrale Haltung zu bewahren, und machte beide Seiten für die Gewalt verantwortlich. Und selbst am Donnerstag zögerte er lange, bevor er seine Präsidentengarde in den Abwehrkampf um das Hauptquartier des Präventiven Sicherheitsdienstes in Gaza-Stadt schickte. Zu lange: Eine Stunde später stürmte die Hamas das Gebäude. "Unter Abu Ammar wäre das nicht passiert", erinnern viele Palästinenser wehmütig an den Abbas-Vorgänger und legendären Fatah-Gründer Yasser Arafat. Als die Hamas in dieser Woche zum Sturm ansetzte, war kein hochrangiger Fatah-Führer im Gaza-Streifen, der das Kommando hätte übernehmen können.
Keine Vision, kein Geld
Der starke Mann der Organisation im Gaza-Streifen, Mohammed Dahlan, hielt sich in Ägypten auf, um eine Knieverletzung auszukurieren. Ein weiterer wichtiger militärischer Führer der Fatah im Gaza-Streifen, Rashid Abu Shbak, war im vergangenen Monat ins Westjordanland gezogen, nachdem die Hamas sein Haus angegriffen hatte.
Beide Gruppen schmuggelten Waffen durch Tunnel an der ägyptischen Grenze in den Gaza-Streifen. Doch unterhält die vom Iran unterstützte Hamas auch eine florierende eigene Rüstungsindustrie und stellt Granaten, Raketen und Minenwerfer selbst her. In den vergangenen Tagen eroberte die Hamas zudem mehrere Waffenlager der Fatah.
"Die Hamas hat eine Führung, ein Ziel, eine Ideologie und Geld", kommentierte der Analyst Talal Okal. "Die Fatah hat nichts davon." Ohne zentrales Kommando und Plan brach ihre Verteidigung rasch zusammen. Die Hamas dagegen ging strategisch vor, eroberte zunächst Außenposten und griff dann die entscheidenden Ziele wie die Hauptquartiere der Fatah-Sicherheitskräfte an. In den vergangenen zwölf Jahren ihrer Herrschaft ist die Fatah mehrfach gegen die Hamas vorgegangen. So nahm 1996 der damals von Dahlan geführte Präventive Sicherheitsdienst Hamas-Führer fest und rasierte ihnen als Akt der Demütigung die Bärte ab.
Selbst nach dem Wahlsieg der Hamas 2006 leitete die Fatah keine Reformen ein. "Die Fatah bricht schon seit einer ganzen Weile auseinander, und es wurde nichts unternommen, um die Führung zu erneuern", sagte der Analyst Said Sidani. Nun richtet sich ihre Hoffnung darauf, wenigstens die Kontrolle des Westjordanlands zu sichern.