Zum Hauptinhalt springen

Fataler Förderwettbewerb

Von Ulrike Famira-Mühlberger

Gastkommentare
Ulrike Famira-Mühlberger ist stellvertretende Leiterin des Wirtschaftsforschungsinstituts.

Die Maßnahmen zur Bewältigung der Energiekrise werden die Schuldenquoten in Europa in die Höhe treiben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In Deutschland hat die ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme ihre Vorschläge zur Gaspreisbremse vorgelegt. Wenn die deutsche Bundesregierung den Empfehlungen folgt, wird dies wohl weitreichende Effekte nicht nur in Deutschland, sondern für ganz Europa haben.

Worum geht es? In dem zweistufigen Plan soll zuerst der deutsche Staat die Gasrechnung für Dezember übernehmen, um Haushalten und Unternehmen rasch und unbürokratisch zu helfen. Von März 2023 bis vorläufig April 2024 sollen dann bei 80 Prozent eines geschätzten Grundkontingents die Preise auf zwölf Cent pro Kilowattstunde abgesenkt werden.

Wie in Österreich bei der Strompreisbremse bedeutet die notwendige Geschwindigkeit der Maßnahmenwirkung, dass weitgehend mit der Gießkanne gefördert wird. Wobei der Rabatt in Deutschland in der Einkommenssteuererklärung berücksichtigt wird (mit Freibeträgen), wodurch zumindest über diesen Kanal die Unterstützung etwas treffsicherer wird. Für Industrieverbraucher soll eine Gaspreisbremse mit Anfang 2023 in Kraft treten. Hier wird für ein subventioniertes Kontingent von 70 Prozent des Verbrauchs des Jahres 2021 ein Beschaffungspreis von sieben Cent pro Kilowattstunde garantiert - inklusive Abgaben, Umlagen und Steuern soll - wie bei den Haushalten - ein gestützter Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde erreicht werden. Dabei wird es keine Mengenbeschränkung geben.

Die Konsequenzen dieser Maßnahmen in Deutschland werden in ganz Europa zum Tragen kommen. Die Maßnahmen bedeuten, dass Deutschland seine (energieintensiven) Unternehmen massiv stützen wird. Deutsche Unternehmen werden also einen Wettbewerbsvorteil haben. Man muss keine große Spieltheoretikerin sein, um abzuschätzen, was passieren wird. Die rationale Antwort ist, dass auch andere Staaten ihre Firmen stützen werden, um von deutschen Unternehmen nicht aus dem Markt gedrängt zu werden.

Diese Entwicklung wird weitreichende Folgen haben, unter anderem fiskalische, aber auch umweltpolitische. Die Stützungsmaßnahmen werden die Schuldenquoten von Staaten in die Höhe treiben - und das in einer sich verändernden Zinsenwelt. Besonders Staaten, die hier weniger Spielraum haben und ihre Schulden teuer finanzieren müssen, werden unter Druck geraten - mit negativen ökonomischen Konsequenzen für ganz Europa.

Die andere Ebene ist eine umweltpolitische. Auch wenn theoretisch bei den Preisbremsen Anreize des Energiesparens eingebaut sind, weil die Preise über einem gewissen Kontingent nicht gestützt werden, besteht eine große Gefahr, dass nicht ausreichend Energie eingespart wird. Insbesondere beim Energieverbrauch zeigt sich in der ökonomischen Literatur, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nicht rational agieren.

Kurzfristig gibt es hier wohl kaum einen Ausweg. Mittel- und langfristig gibt es nur eine klare Alternative, nämlich den schnellen und massiven Ausbau von Erneuerbarer Energie. Hier wird es viele Kompromisse brauchen, aber es ist der einzige Weg wie wir die Abhängigkeit von Autokratien, Despoten und menschenverachtenden Regimen reduzieren und den nachkommenden Generationen eine Chance zum Überleben sichern.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.