Der Terror wirft seinen Schatten auf die kommende Bundestagswahl. Den etablierten Parteien bleibt nicht mehr viel Zeit zur Deeskalation.
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Jetzt ist es passiert: Mitten im Herzen Berlins trat das ein, was deutsche Sicherheitsbehörden spätestens im Herbst 2015 prophezeit hatten. Der Lkw-Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt machte die greifbare Terrorgefahr auch für Menschen deutlich, die bis dahin eine erhöhte Gefährdung standhaft geleugnet hatten. Der Täter, obwohl durch einen fehlenden Pass vor der Abschiebung gehindert, konnte anschließend frei durch Europa reisen. Er floh nach Italien, wo er vor der Einreise Mitte 2015 als "Flüchtling" inhaftiert war.
Die deutsche Politik wirkt so gelähmt wie ratlos. Fatalismus mischt sich mit Lethargie, unter dem Schleier der Betroffenheitsrhetorik. Nach wie vor gilt das Argument, der Flüchtlingszuzug aus islamistisch geprägten Ländern erhöhe die Terrorgefahr, als politisch inkorrekt. Vorgeblich verweist die Regierung auf stetige Maßnahmen. In einem Arbeitszeugnis würde stehen: Wir haben uns bemüht. Das geltende Asylrecht wurde verschärft, der Flüchtlingszuzug mit der Schließung der Balkanroute seitens Österreich gesenkt. Die erneute, debattenfreie Nominierung von Angela Merkel, der Mutter der Willkommenskultur, für die nächste Bundestagswahl sollte Sicherheit suggerieren. Alles sei mittlerweile gut im Griff, lautet das Credo vom Kanzleramtsminister bis hin zum CDU-Generalsekretär. Kritiker an der Flüchtlingspolitik werden ins rechte Ecke gestellt.
Nun kommen aber eklatante Mängel zum Vorschein: Es gibt keinen Datenabgleich auf europäischer Ebene, Deutschlands Föderalismus produziert 16 verschiedene Ausländer- und Polizeibehörden, die Abschiebung funktioniert nicht. Der Terrorist von Berlin nutzte das System aus. Der Staat beobachtet nicht einmal hunderte sogenannte Gefährder aus dem radikal-islamistischen Umfeld. Der vorgebliche Grund: Kapazitätenmangel. Es gilt das Recht auf freien Aufenthalt. Formen der Kontrolle wie Fußfesseln etwa haben da nichts zu suchen. Menschen mit einem Abschiebegrund bleiben einfach im Land - ganz ohne Auflagen. All das ist ein Einfallstor für radikale Muslime, die der Mitmachtrhetorik des IS auf den Leim gehen. So wird es weiter zu terroristischen Akten kommen. Für den Rechtsstaat ist das ein Armutszeugnis. Im Zuge des Flüchtlingsstroms kamen Menschen mit Smartphone, aber ohne Ausweis ins Land. Das alles ist Wasser auf die Mühlen der AfD.
Den etablierten Parteien bleibt nicht mehr viel Zeit zur Deeskalation. Wenn Migrationsfragen den Wahlkampf bestimmen, nützt das den Rechtspopulisten, den demagogischen Vereinfachern. Breite Teile der Bevölkerung fühlen sich nicht hinreichend von der Politik aufgeklärt. Die Nachwirkungen werden bestehen bleiben - auch, weil die innere Sicherheit und die Mammutaufgabe der Flüchtlingsintegration einen gesellschaftlichen Kraftakt verlangen. Und in den nächsten Jahren bleibt angesichts des Migrationsdrucks die Frage bestehen, ob Deutschland nicht überfordert ist und sich selbst übernimmt. Konkrete Vorschläge, wie eine illegale Einwanderung zu verhindern und die Ursachen der Flucht zu bekämpfen sind, bleiben Mangelware. Und in wenigen Monaten findet eine Bundestagswahl statt.