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Faule Kredite steigen sprunghaft an

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglu

Wirtschaft

Sechstes Rezessionsjahr in Folge – Banken geraten immer stärker unter Druck. | Schlimmer als in Spanien: Welle von Liquidationen birgt sozialen Sprengstoff.


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Athen. Griechenlands Geldgeber feiern die Spar- und Reformfortschritte in Athen. Alles bestens in Hellas? Die Geldinstitute ächzen jedenfalls unter einem dramatisch wachsenden Berg fauler Kredite. Nun steht eine Welle von Zwangsversteigerungen von Immobilien bevor - sie droht schlimmer als in Spanien zu werden.

Die traurigen Zahlen sind hinlänglich bekannt: Das Euro-Sorgenkind Griechenland befindet sich im sechsten Jahr der Rezession. Um kumuliert ein Viertel ist die hellenische Wirtschaftsleistung eingebrochen. Die Einkommen aus Löhnen, Gehältern, Renten und Pensionen sind netto um bis zu 55 Prozent gefallen, die Arbeitslosigkeit von unter zehn auf 28 Prozent in die Höhe geschnellt - alles Folgen des rigiden Sparkurses.

Nun geraten auch die griechischen Banken immer stärker unter Druck. Der Grund: der rapide Anstieg der sogenannten faulen Kredite. Hatte der Anteil der Kredite, deren Tilgung mindestens 90 Tage in Verzug geraten ist, per Ende 2011 in Hellas noch 16 Prozent betragen, war der Anteil der faulen Kredite Ende 2012 bereits auf 24,5 Prozent gestiegen. Doch damit nicht genug: Wie griechische Medien unter Berufung auf Kreise in hellenischen Banken nun berichten, hat der Anteil der faulen Kredite am gesamten Kreditvolumen in Griechenland per Ende September 2013 fulminante 32 Prozent erreicht - Tendenz steigend. Besonders betroffen seien demnach die Konsumentenkredite: Fulminante 46 Prozent seien demnach unterdessen faul geworden. Bei den Krediten für Geschäftskunden werde ein Anteil von stattlichen 31 Prozent nicht mehr pünktlich bedient. Überdies seien mittlerweile immerhin 24 Prozent der Baudarlehen "im roten Bereich". Zum Vergleich: Per Ende September 2011 waren lediglich 14 Prozent und per Ende September 2012 erst 20,2 Prozent der Baudarlehen faul geworden.

Kreditvolumen hat ein Allzeithoch erreicht

Dabei schulden die Griechen den Banken immer weniger: Per Ende September belief sich das Kreditvolumen im Elf-Millionen-Einwohner-Land auf insgesamt 220,99 Milliarden Euro. Das sind 3,9 Prozent weniger als im entsprechenden Vorjahresmonat. Die Kredite für Geschäftskunden wiesen ein Volumen in Höhe von 105,03 Milliarden Euro auf. Die privaten Haushalte standen bei den Banken mit 102,57 Milliarden Euro in der Kreide. Davon entfielen 71,89 Milliarden Euro auf Baudarlehen. Weitere 29,04 Milliarden Euro stellten Konsumentenkredite dar.

Das Kreditvolumen in Griechenland hatte im Juni 2010 mit insgesamt 263,64 Milliarden Euro ein Allzeithoch erreicht. Damit ist es binnen knapp dreieinhalb Jahren um rund 43 Milliarden Euro gefallen. Besonders stark betroffen sind die Unternehmen: Das Kreditvolumen betreffend Geschäftskunden brach seit Anfang 2010 um 20 Prozent ein.

Die Gründe sind vielfältig: Im krisengebeutelten Hellas bleibt beispielsweise das Zinsniveau für neue Kredite vergleichsweise hoch: Bei Krediten für Geschäftskunden (ohne vorab festgelegte Laufzeit) sind aktuell immerhin im Schnitt 7,20 Prozent fällig. Bei Konsumentenkrediten für private Haushalte sind ferner sogar durchschnittlich 14,66 Prozent an Zinsen zu berappen.

In der jüngsten Boomphase bis 2008 hatte es in Griechenland hingegen noch eine Kreditschwemme gegeben - dank historisch niedriger Kreditzinsen nach dem vollzogenen Euro-Beitritt Anfang 2002. Das Kreditvolumen war im Jahre 2003 im Vergleich zum Vorjahr um stattliche 19,1 Prozent gestiegen. Es folgten ein Kreditvolumen-Plus von 19,2 Prozent (2004), 20,9 Prozent (2005), 19,7 Prozent (2006), 20,1 Prozent (2007) sowie 15,9 Prozent (2008).

Immer mehr Griechen in der Schuldenfalle

Doch nun geraten immer mehr Griechen in die Schuldenfalle - auch wegen der hierzulande stark steigenden Steuern auf den Immobiliensitz. Der griechische Staat will im nächsten Jahr von den Immobilienbesitzern immerhin 2,65 Milliarden Euro eintreiben, sieben Mal mehr als vor dem Ausbruch der Krise wohlgemerkt.

Weiteres Ungemach droht den säumigen Kreditnehmern ab Anfang nächsten Jahres. Dann sollen die seit 2010 eingeführten Einschränkungen bei den Zwangsversteigerungen von Immobilien weitgehend fallen. Experten zufolge wären davon bis zu 250.000 Immobilien in Griechenland betroffen. Ob Immobiliensteuern oder Zwangsversteigerungen: Das Gros der Experten befürchtet daher nicht nur einen weiteren Einbruch der Immobilienpreise in Hellas. Sie sind laut einer jüngsten Studie der griechischen Notenbank (TTE) seit Krisenbeginn im Herbst 2008 bis Ende Juni 2013 ohnehin landesweit bereits um durchschnittlich 30,3 Prozent gefallen. So kostet die im Schnitt 86,2 m2 große Wohnung in der Vier-Millionen-Metropole Athen derzeit 165.000 Euro (1865 Euro pro m2). Die bevorstehende Welle von Zwangsversteigerungen berge in Hellas zudem enormen sozialen Sprengstoff, warnen die Kritiker. Sie verweisen auf das Euro-Krisenland Spanien, diesbezüglich Europas bisheriges El Dorado. Dort hätten die Banken im ersten Halbjahr dieses Jahres die Immobilien im Schnitt 70 Prozent unter dem Geschäftswert verhökert, wie eine betreffende Studie von Fitch Ratings ergab. Doch das in einem Land, wo nur elf Prozent der Kredite faul geworden sind - und damit nur etwa ein Drittel von dem entsprechenden Anteil in Griechenland.

Budgetloch von1,5 Milliarden Euro

Auch die griechische Regierung ist wieder einmal in wirtschaftlichen Schwierigkeiten: Vor der nächsten Hilfstranche der Troika muss Athen eine Finanzierungslücke für das Budget 2014 von rund 1,5 Milliarden Euro schließen. Doch in der griechischen Hauptstadt macht sich Austeritäts-Müdigkeit breit - den politischen Preis hatte vor allem Pasok zu zahlen, die Mitte-Links-Partei liegt in den Umfragen bereits hinter der rechtsextremistischen Goldenen Morgenröte.