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"Favoriten hat einen viel zu schlechten Ruf"

Von Margot Landl

Politik

Der fast 200.000 Einwohner starke Bezirk wächst und wird immer moderner - von Sonnwendviertel bis U-Bahn-Ausbau.


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Wien. Die Favoritener Sozialdemokraten kamen bei den diesjährgien Wien-Wahlen mit einem "blauen Auge" davon. Mit 40,4 Prozent und damit 25 Mandaten liegen sie nur knapp vor den erstarkten Freiheitlichen, die ihnen mit 38,18 Prozent und 24 Mandaten auf den Fersen sind. Ohne Mehrheitssuche läuft im Zehnten nichts mehr. Favoriten ist einer jener Flächenbezirke, in denen die SPÖ am stärksten mit der FPÖ zu kämpfen hat. Die einst tiefroten Hochburgen wackeln, Simmering ging bereits an die Freiheitlichen. Mit der "Wiener Zeitung" spricht Bezirksvorsteherin Hermine Mospointner darüber, wie Favoriten gehalten werden kann und erzählt vom Management der "viertgrößten Stadt" Österreichs.

"Wiener Zeitung": Auch in Favoriten hat die FPÖ bei der Wahl zugelegt und besitzt nun 24 Mandate. Wie erklären Sie sich den Zuwachs der Partei?

Hermine Mospointner: Die moderne Arbeitswelt erzeugt Unsicherheit und Angst vor Veränderung. Es ist eine Form des Protests und zeigt, dass sich die Menschen von den etablierten Parteien nicht mehr verstanden fühlen.

Was könnte man Ihrer Ansicht nach dagegen tun?

Für mich bräuchte es wieder eine funktionierende Sozialpartnerschaft, was allerdings in einer Zeit der globalisierten Arbeitswelt nahezu unmöglich ist. Wichtig ist es auf jeden Fall, dass die Stadt Arbeitsplätze schafft und dass allgemein die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Damit die Menschen auch wieder von ihrem Einkommen leben können.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien in der Bezirksvertretung?

Aktuell sind sechs Parteien in der Bezirksvertretung. Die SPÖ hält 25 von 60 Mandaten. Das heißt wir müssen mit anderen Fraktionen Mehrheiten bilden und da reden wir mit allen. Auf sachlicher Ebene finden Beschlüsse meist nahezu zu 100 Prozent statt. Bezüglich der politischen Einstellung geht es eben nicht mit allen, da muss sich dann zu zweit oder dritt zusammenfinden. Oder mehr Überzeugungsarbeit leistet.

Wie hat sich Favoriten im Lauf Ihrer über 20-jährigen Amtszeit verändert?

Sehr stark, der Bezirk ist irrsinnig gewachsen. Ich habe angefangen mit etwa 150.000 Einwohnern, mittlerweile sind es über 190.000. Sehr viele Neubauten sind dazugekommen, dafür sind die Fabrikanlagen und Lagerflächen großteils verschwunden. Trotzdem gibt es heute mehr Arbeitsplätze im Bezirk als früher, vor allem im Bereich der Büroarbeit oder IT. Diese sind auch viel kompatibler mit einer modernen Stadt: Über die Fabriken haben sich die Leute oft beschwert, zum Beispiel wegen den Abgasen. Büroarbeit tut niemandem weh.

Mit fast 200.000 Einwohnern wäre Favoriten die viertgrößte Stadt Österreichs. Wie schafft man es als Gemeindebezirk, unterschiedliche Interessen zu vereinen?

Kompromisse passieren im täglichen Leben, im Umgang miteinander. Das kann man nicht verordnen. Aber es gibt auch keine besonders großen Probleme. In den Schulen und Kindergärten zum Beispiel kommen die Kinder gut miteinander aus, die haben keine Berührungsängste. Der Bezirk investiert viel in Strukturen für Kinder und Jugendliche im öffentlichen Raum und auch in Projekte, um mit ihnen gemeinsam solche Strukturen aufzubauen. Und da werden wirklich Anliegen vorgebracht, die Hand und Fuß haben.

In Ihrem Bezirk findet gerade eine enorme Bautätigkeit statt. Aus der ehemaligen Ankerbrot-Fabrik ist ein hippes Kulturareal geworden, mitten im traditionellen Arbeiterbezirk. Besteht da die Gefahr einer räumlichen Differenzierung?

Die Gebietsbetreuung versucht mit dem Projekt "Neu&Alt" zum Beispiel im Sonnwendviertel die alteingesessenen mit den neuen Bewohnern zu verbinden. Der neue Helmut Zilk-Park soll genauso von Bewohnern jenseits der Gudrunstraße genutzt werden. Auch am neuen Campus gab es einen Tag der offenen Tür, wo viele Leute gekommen sind.

Im September 2017 wird die Verlängerung der U1 eröffnet, was eine große Aufwertung für den Bezirk bedeutet. Wie sieht es dann mit dem Parkpickerl aus?

Es wird wohl kommen, es gibt auch den Wunsch aus der Bevölkerung. Es muss vor allem geschehen, bevor die U-Bahn eröffnet wird, sonst ersticken Gebiete wie die Per-Albin-Hansson-Siedlung im Verkehr. Denn die Pendler werden so weit fahren, wie sie können. Aber wie wir es machen, da müssen wir noch darüber reden. Davor ist auch noch eine Stellplatz-Erhebung der MA 18 - Stadtplanung ausständig.

Wie erfolgt in solchen Fällen die Zusammenarbeit mit der Stadt?

Vor ein paar Jahren wollte die MA 18 den Bezirk parktechnisch in zwei Teile teilen, was aber lediglich eine Verdrängung gewesen wäre. Es ist dann auch nicht so gekommen. Das letzte Wort hat immer der Bezirk. Und das bleibt auch so - in Favoriten (lacht). Dafür bin ich schon viel zu lang da, als dass sich das jetzt ändern würde. Nein aber im Ernst: So was muss man einfach gemeinsam mit der Bevölkerung regeln. Natürlich wird es immer welche geben, die sagen, das wollen wir oder das wollen wir nicht. Man muss eben immer so entscheiden, dass die Mehrheit davon profitiert.

Und wie erfahren Sie, was die Mehrheit denkt?Wenn irgendeine Kleinigkeit auch nur irgendwo nicht gut läuft im Bezirk, stehen die Leute bei mir im Büro. Seit zwei Jahren haben wir auch die Lokale Agenda, die Bürgergruppen unterstützt, bei Anliegen, die von ihnen selbst kommen. Zum Beispiel wegen den Freiflächen am Monte Laa, wo es Konflikte zwischen Hundehaltern und Kindern gab. Aber es wird nur moderiert und auch von keiner Partei politisch beeinflusst. Und wenn es für etwas Sinnvolles eine Lobby gibt, dann gibt der Bezirk auch Geld dafür aus. Es gibt kein von vorne herein festgelegtes Budget.

In der Außenwahrnehmung ist Favoriten immer noch das "Ghetto" von Wien - obwohl eigentlich weder Ausländeranteil noch Kriminalitätsrate außergewöhnlich hoch sind. Wie sehen Sie Ihren Bezirk?

Der Zehnte hat einen viel zu schlechten Ruf, das war schon vor 100 Jahren so. Die Wohnzufriedenheit ist sehr hoch. Jede neu gebaute Wohnung ist sofort vergeben, in das Sonnwendviertel ziehen lauter junge Menschen. Wir haben 50 Prozent Grünflächen, die Naherholungsgebiete am Stadtrand, aber auch Parks und Alleen in der Stadt. Zwar ist das Durchschnittseinkommen immer noch eines der niedrigsten in Wien und es leben viele sozial schwache Menschen hier. Aber das ist keine Schande.

Zur Person:

Hermine Mospointner

Hermine Mospointner (63) ist seit 1994 Bezirksvorsteherin von Favoriten. Die gebürtige Burgenländerin war bis 1980 in der Privatwirtschaft tätig und trat 1984 in den Dienst der Stadt Wien. Seither war sie in Favoriten in verschiedenen Funktionen für die SPÖ aktiv.