Äußerlich hätte der Kontrast nicht augenfälliger sein können: Josef Pröll hielt seine "Projekt Österreich"-Rede Mitte November in einer schmucklosen Glas-Beton-Halle im Finanzministerium am Rande der Wiener Innenstadt. Werner Faymann lud am Mittwoch in den prunkvoll-prächtigen Festsaal der imperialen Wiener Hofburg.
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Ansonsten war die Inszenierung bei beiden Politikern erstaunlich ähnlich: Beide wollten die Macht des gesprochenen Wortes nicht durch behübschende Beigaben abschwächen: Sowohl der Kanzler als auch sein Vize begnügten sich mit einem Rednerpult auf ansonsten karger Bühne, keine Stimmungsfilme, keine Moderatoren, keine Musik.
Sollten diese beiden Auftritte einen neuen Trend markieren, wäre dies eine gute Botschaft für die darniederliegende politische Kultur in Österreich: dass nämlich der Inhalt über die Form, das gesprochene Wort über die Inszenierung wieder die Oberhand gewinnt. Aber abwarten, was die kommenden Landtagswahlkämpfe bringen werden.. .
Ausbruchsversuch aus der Niederlagenserie
Mit seinem Auftritt hat Faymann versucht, aus der für ihn und die SPÖ negativen Abwärtsspirale auszubrechen. An den Wahlurnen pflasterten Niederlagen sein erstes Jahr als Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender - einzig bei der alles entscheidenden Nationalratswahl 2008 ist es ihm gelungen, die Verluste so gering zu halten, dass Platz eins vor der Molterer-ÖVP am Ende ungefährdet blieb.
Aber der Vizekanzler ohne Fortune ist längst Geschichte, unter Josef Pröll gewinnt die ÖVP wieder Wahlen und Umfragen. Faymann musste reagieren, sein moderierender, auf Ausgleich bedachter Stil in der Koalition wurde von der Mehrheit der Bürger nicht als Führungsstärke ausgelegt. Mit seinem Auftritt vor der nationalen und internationalen Elite des Landes will der Kanzler nun öffentlich demonstrieren, wer die Zügel in der Regierung in Händen hält und die Richtung vorgibt.
Das mit der Richtung ist in einer großen Koalition allerdings eine schwierige Sache. Das Gemeinsame von SPÖ und ÖVP besteht allein darin, dass keiner von beiden eine alternative Regierungskonstellation zur Verfügung hat. Die Koalition entspricht beider Willen zur Macht, nicht ihrer ähnlichen Sicht auf die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft. Als Kanzler lässt sich da nur schwer eine visionäre Rede schwingen, zumal er sich ja an der Umsetzung messen lassen muss.
Klassische Themen der Sozialdemokratie
Notgedrungen musste der Kanzler also bei den liebgewordenen Themen der Sozialdemokratie Zuflucht nehmen: Mehr Gerechtigkeit und Chancengleichheit bei Bildung und Beruf garniert mit populären Seitenhieben auf perfide Finanzjongleure und überbezahlte Manager. Dagegen ist vorderhand wenig zu sagen, meist spießt es sich eben nur in der konkreten Umsetzung.
Der ÖVP warf Faymann, ganz Kanzler, keinen Fehdehandschuh hin, entsprechend freundlich und entspannt fielen auch die Reaktionen auf die Kuschelrede aus.
Dem heißen Eisen Integration hat der Kanzler nur wenige Worte gewidmet - seine Absage an die politischen Hetzer, die etwa FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache mit versteinerter Miene vernahm, sprach dabei dem Publikum in der Hofburg aus dem Herzen. Im Wiener Gemeindebau dagegen und oft auch in den Bundesländern kämpfen SPÖ und FPÖ um die gleichen Wähler.
Von Prölls Rede blieb die Parole "Leistung muss sich lohnen" in Erinnerung. Faymann entschied sich als Motto für das schön klingende Wort "gemeinsam". Gemeinsam werden aber SPÖ und ÖVP nicht vor die Wähler treten. Und im Moment fehlt es der Sozialdemokratie an klaren Konturen.