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Österreichs Bundeskanzler beriet mit | Präsident Hollande Wege aus der Krise.
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Paris. Es war ein bewegter Tag für Frankreich, an dem Bundeskanzler Werner Faymann Dienstag zum Besuch in Paris eintraf. Nicht nur hatten die Gewerkschaften zum Streik aufgerufen, um gegen Sparprogramme und Stellenabbau in der französischen Industrie zu demonstrieren. Auch stimmte die Nationalversammlung über den europäischen Fiskalpakt ab - eine Nagelprobe für Präsident François Hollande: Während er im Wahlkampf noch versichert hatte, den von seinem Vorgänger Nicolas Sarkozy und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel auf den Weg gebrachten Pakt neu zu verhandeln, musste er sich letztlich mit der Ergänzung durch einen Wachstumspaket begnügen. Nun unterstützte er das Vertragswerk, obwohl kein Komma daran geändert wurde.
Das Horrorszenario, dass ihm eine Mehrheit der parlamentarischen Linken die Gefolgschaft verweigern und er für die Ratifizierung auf Stimmen der konservativen und zentristischen Opposition angewiesen sein würde, blieb allerdings aus: Eine Mehrheit der 477 Ja-Stimmen stammte von den Linken. Dennoch blieben einige Abtrünnige unter den Sozialisten, radikalen Linken, aber auch den Abgeordneten von "Europa-Ökologie - Die Grünen", die immerhin zwei Kabinettsmitglieder stellen. Mit ihrer Ablehnung des Fiskalpaktes als zu rigides Spar-Korsett riskierte eine Mehrheit des grünen Umweltbündnisses eine Regierungskrise - und das in Zeiten, wo Hollandes Popularität ohnehin massiv abstürzt.
In diesem Kontext innenpolitischer Turbulenzen und gut eine Woche vor dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs bestimmten dann auch europapolitische Fragen Faymanns Besuch. Vor einer Begegnung mit Regierungschef Jean-Marc Ayrault am Abend traf er mit Präsident Hollande zusammen. Die im Mai gewählte französische Regierung hat angekündigt, über die bislang oft exklusive deutsch-französische Achse hinaus die kleineren EU-Mitgliedsstaaten stärker miteinzubeziehen. So wurde die Einladung an Faymann als ermutigendes Signal für die laut Hollande "exzellenten Beziehungen" beider Länder gewertet, bei der die Übereinstimmungen im Vordergrund stehen sollten.
Dazu gehört der Wunsch nach Maßnahmen für Wachstum und Arbeit vor allem für Jugendliche - besonders interessierte sich der französische Präsident für das duale Ausbildungssystem in Österreich. Einigkeit herrschte auch bei der Einführung einer Bankenunion und einer Finanztransaktionssteuer, der inzwischen elf EU-Länder zustimmen. Bis zu einer weltweiten Abgabe sei es zwar noch ein weiter Weg. "Aber jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt", erklärte Faymann. Die Gewinne aus der Steuer könnten in einen Bildungs-Fonds fließen.
Es gab aber auch einen Punkt der Uneinigkeit zwischen den Partei- und Duz-Freunden: Die Atomenergie, deren Anteil Hollande zwar von 75 auf 50 Prozent verringern, auf die er aber nicht verzichten will. Darauf angesprochen, sagte er mit einem Schmunzeln: "Werner ist mein Freund, wir haben darüber gesprochen. Und sind bei unseren Standpunkten geblieben." Faymann lud Hollande nach Österreich ein.