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FBI baute Tunnel unter der US-Botschaft der Russen

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Washington - Im Zuge der Untersuchungen rund um den vor einigen Wochen als russischen Spion enttarnten Top-Mitarbeiter des FBI Robert P. Hanssen kommen immer ungeheurlichere Aktivitäten der Geheimdienste ans Tageslicht. Am Wochenende berichtete die "New York Times", dass in den Achtzigerjahren gemeinsam vom US-Bundeskriminalamt (FBI) und der Nationalen Sicherheitsagentur (NSA) ein geheimer Tunnel unter der damaligen sowjetischen Botschaft errichtet wurde, um diese besser abhören zu können. Hanssen soll das Projekt an die Russen verraten haben.


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Hanssen, ein Spionageabwehrspezialist des FBI, war am 18. Februar verhaftet worden als er einen Müllsack voll mit wichtigen Dokumenten an einem toten Briefkasten in einem Park der US-Kleinstadt Vienna abstellen wollte. Es wird ihm vorgeworfen, seit 1985 für die Sowjetunion und später für Russland spioniert zu haben und dafür insgesamt 1,4 Millionen Dollar (1,54 Millionen Euro, 21,2 Mill. S) in Bargeld und Diamanten sowie auf Auslandskonten erhalten zu haben.

Der Tunnel unter der Ende der Siebzigerjahre neu errichteten Sowjetbotschaft in Washington galt in Kreisen der US-Geheimdienste als eine der sensibelsten Spionageaktionen des Kalten Krieges. Seine Errichtung wurde parallel zum Bau der Sowjetbotschaft geplant und ausgeführt. Es ist nicht bekannt, wann und wie lange er benutzt wurde, doch bestätigte ein früherer Mitarbeiter der Geheimdienste gegenüber der "Washington Post", dass noch 1995, lange nach seiner Benutzung, die Bundesregierung eine beachtliche Geldsumme für seine Erhaltung ausgab. Dabei hatten die US-Geheimdienste von Anfang an große Schwierigkeiten zu überwinden. Erstens mussten die Arbeiten ja so geschehen, dass niemand sie bemerkte, was bei der anfallenden Menge von Erdaushub gar nicht einfach war. Immer wieder soll es auch Wassereinbrüche gegeben haben. Und schließlich musste man die technischen Schwierigkeiten meistern, mit Laserstrahlen Metallabschirmungen zu durchbrechen. "Ich hatte Zweifel über die verwendete Technologie, aber die Technokraten haben während des Kalten Krieges alles kontrolliert", sagte der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter, der bezweifelt, dass man besondere Geheimnisse auf diese Weise erfahren habe. Ein anderer Mitarbeiter aus der Zeit republikanischer Regierungen meinte noch viel deutlicher: "Ich bin sicher, dass wir nie etwas herausbekommen haben. Das war ein außerordentliches Projekt, aber es brachte nichts".

Man nimmt nun an, dass Hanssen schon 1985 die Existenz des Tunnels an die Sowjets verraten hat. Seit damals bekamen die Amerikaner aus dem Tunnel unter der US-Botschaft kaum noch brauchbare Informationen.

Dabei dürfte das US-Projekt darauf zurückzuführen sein, dass die Amerikaner 1978 entdeckt hatten, dass unter ihrer alten Botschaft in Moskau ebenfalls ein Tunnel bestand, den der russische Geheimdienst benutzte. Als die Amerikaner daraufhin eine neue Botschaft bauten, wurden ihnen von russischer Seite in den neuen Gebäudekomplex soviele Wanzen installiert, dass der Bau 1985 eingestellt wurde.

Bereits 1980 hatten die Sowjets den Amerikanern vorgeworfen, ihren Botschaftskomplex inklusive der Wohnungen für 500 Botschaftsangehörige und einer Schule total mit Abhöranlagen übersät zu haben, die es ermöglicht hätten, sogar jedes Liebesgeflüster aus den Schlafzimmern zu überwachen.

Die Amerikaner sind jedenfalls durch die Enttarnung Hanssens alarmiert und lassen jetzt durch Computerexperten untersuchen, ob der Doppelagent nicht auch die Software manipuliert hat, um den russischen Agenten Zugang zu geheimen Informationen zu ermöglichen. Hanssen galt nämlich als besonderer Kenner von Computerhackermethoden, der seinen Vorgesetzten 1992 bewiesen hatte, dass ein internes FBI-Computersystem keineswegs so sicher war, wie es von Experten dargestellt wurde.