Der 27. September 2009 war der Höhepunkt im politischen Leben des Juristen Dr. Guido Westerwelle. Der 48-jährige FDP-Vorsitzende holte mit fast 15 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis seit der Gründung seiner Partei bei einer Bundestagswahl. Selbst die regierungskritische "Süddeutsche Zeitung" sprach über ihn als Staatsmann.
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Ein Jahr später kämpft der strahlende Wahlsieger, inzwischen Vizekanzler und Außenminister, ums politische Überleben. Die FDP müsste mit ihren derzeit drei Prozent (laut Politbarometer des ZDF) um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Westerwelles persönliche Sympathiewerte sind mit minus 1,5 im Keller gelandet und inzwischen fordern selbst Parteifreunde offen seinen Rücktritt als Parteichef.
Kein Wunder, wenn die Basis murrt: Seit einem halben Jahr kommt die FDP nur noch auf Umfragewerte von fünf Prozent. An diesem Zustand geben 63 Prozent Westerwelle die Schuld.
Dabei war er eigentlich ein politischer Senkrechtstarter: Geboren 1961 als Sohn eines Rechtsanwalts und einer Richterin, wächst Guido Westerwelle mit zwei Brüdern beim Vater auf. 1980 tritt er in die FDP ein und gründet die Jungen Liberalen mit. Von 1983 bis 1988 ist er deren Vorsitzender. Mit 27 Jahren sitzt er bereits im Bundesvorstand, 1994 wird er Generalsekretär und 2001 Vorsitzender der Liberalen.
Doch die Medien haben sich frühzeitig auf Westerwelle eingeschossen. Nahezu jede seiner Äußerungen ruft Stürme der Entrüstung hervor. Er sei nur ein Spaßpolitiker, meinen jene, die seinen Auftritt im "Big-Brother-Container" shocking finden. Sein Spruch, die FDP sei die "Partei der Leistungsbereiten", wird für den stets geschniegelt wirkenden Krawattenträger zum Bumerang und zur "Partei der Besserverdienenden" umgefälscht, obwohl Letzteres gar nicht von ihm selbst stammte. Knapp vor seinem Amtsantritt als Außenminister macht er sich zum Gespött der Nation, weil er sich weigert, auf die Frage eines BBC-Reporters auf Englisch zu antworten. Mit seiner Aussage über das deutsche Sozialsystem und Hartz IV ("Einladung zu römischer Dekadenz") heimst er sich den Beinamen "Spalter der Nation" ein. Die jüngsten Lachnummern bescherten ihm die Wikileaks-Enthüllungen, in denen er als aggressiv und inkompetent bezeichnet wird. Und er muss zugestehen, dass sein Büroleiter einer der Informanten war.
Den ersten Blattschuss gab Wolfgang Kubicki ab, der die FDP mit der untergehenden DDR verglich. Für die Rheinland-Pfälzer ist er "ein Klotz am Bein". Der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn legt ihm den Verzicht auf den Vorsitz nahe und droht sogar mit einem Sonderparteitag im Februar. O-Ton Westerwelle: "Ich verlasse das Deck nicht, wenn es stürmt. Ich arbeite daran, dass wir wieder auf Erfolgskurs kommen."