Wären am Sonntag Bundestagswahlen, dann fiele die schwarz-gelbe Koalition in Deutschland im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 weit zurück. Ein Grund dafür ist nicht zuletzt ihre Atompolitik.
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Nach jüngsten Umfragen hat die Union-FDP-Koalition die parlamentarische Mehrheit haushoch an SPD-Grüne verloren. Unter diesen "Momentaufnahmen" sticht das ZDF-"Politbarometer" als besonders zuverlässig hervor. Die unabhängige "Forschungsgruppe Wahlen" ermittelt nämlich zwei Trends: Die augenblickliche "Stimmungslage" und die "Sonntagsfrage" ("Wenn am Sonntag gewählt würde.. ."), welche die längerfristige Parteipräferenz der Wähler feststellt und somit die "Stimmung" relativiert.
Fänden am Sonntag Bundestagswahlen statt, dann fiele die schwarz-gelbe Koalition im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 von 49 auf 39 Prozent zurück, eine rot-grüne Koalition stiege von 34 auf 49 Prozent. Die Union legte einen Punkt auf 35 Prozent zu, die FDP stürzte von 15 auf 4 Prozent ab, die SPD wüchse von 23 auf 26 Prozent, die Grünen verdoppelten sich von 11 auf ihren Rekordwert von 23 Prozent.
Die "Stimmungslage" fällt im Vergleich zwischen Februar - kurz vor der Fukushima-Katastrophe - und Mai drastischer aus: Union minus 3 Punkte auf 37 Prozent, die FDP weiterhin bei 3 Prozent, die SPD minus
3 Punkte auf 26 Prozent und nur noch 2 Punkt vor den Grünen. Diese Bilanz gewinnt durch die abgefragte "Glaubwürdigkeit" der Parteien noch an Schärfe: Union 36 Prozent, FDP 5 Prozent, SPD 23 Prozent, Grüne mit geradezu sensationellen 62 Prozent.
Den Ausschlag für diesen Wandel gab die Katastrophe in Fukushima am 11. März. Im Jahr 2000 hatte nämlich die Rot-Grün-Koalition die Laufzeit der Atomkraftwerke auf je 32 Jahre begrenzt und den Ausstieg aus der Atomenergie bis 2021 festgelegt. Im Oktober 2010 verschob die schwarz-gelbe Regierung den Ausstieg auf 2040 - und erntete dafür Massenproteste.
Nach dem Super-GAU in Fukushima nahm die Bundesregierung die 7 ältesten der 17 Atommeiler für drei Monate zur Überprüfung vom Netz und stellte einen früheren Atomausstieg in Aussicht. Gleichwohl machte sich die FDP unverdrossen für die Atomenergie stark - obschon nun um die 75 Prozent der Deutschen in Umfragen den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie fordern.
Unter dem Schock von Fukushima kam die Quittung prompt bei zwei Landtagswahlen. In Baden-Württemberg stürzte die FDP von 16 auf 5 Prozent, womit Schwarz-Gelb die Mehrheit verlor - allerdings auch wegen des Beharrens auf dem heftig umstrittenen neuen Stuttgarter Untergrundhauptbahnhof. Hingegen überflügelten die Grünen mit 29 Prozent die SPD und stellen erstmals in einem deutschen Bundesland den Ministerpräsidenten. In Rheinland-Pfalz kam es für die "Kleinen" noch drastischer: Die FDP flog aus dem Landtag, die Grünen verdreifachten ihren Anteil auf 15 Prozent.
Die Atomfrage verdrängt vorläufig andere Problemthemen. Und die "Stimmungslage" mag sich bis zur Bundestagswahl 2013 wetterwendisch geben. Fiele die FDP mit weniger als 5 Prozent aus dem Bundestag, blieben nur Union, SPD und Grüne als Koalitionäre. Keine rosigen Aussichten für Angela Merkel.
Clemens M. Hutter war Ressortchef Ausland bei den "Salzburger Nachrichten".
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