"Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen" könnte man dem türkischen Botschafter Kadri Ecvet Teczan, der mit seinem Interview für Furore gesorgt hat, entgegenhalten. Und in der Tat habe ich nicht selten das Gefühl, dass so mancher Vertreter des türkischen Staates durch eine gewisse Aggressivität in seinen Äußerungen über die demokratiepolitischen Probleme und die menschenrechtlichen Mängel im eigenen Heimatland hinwegtäuschen möchte.
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Aber ließen wir es mit einer solchen Abwehrhaltung bewenden, würden wir uns selbst keinen guten Dienst erweisen. Die Provokationen des Botschafters sollten wir lieber aufgreifen, um Wahres vom Falschen zu trennen. Und uns dann auf seine gerechtfertigten Kritikpunkte konzentrieren.
Es kann doch kein Zweifel bestehen, dass uns in Österreich die Integration von Zuwanderern und deren Kindern nicht in ausreichendem Maße gelungen ist. Dafür sind die verantwortlich, die zu wenig geleistet haben, um sich integrieren zu können, und die, die zu wenig verlangt und geboten haben, um die Integration zu erleichtern. Sowohl die Gastgeber als auch die Gäste haben hier vielfach versagt. Beide Seiten haben Fehler gemacht und vor allem notwendige Schritte wie das Erlernen der deutschen (und der türkischen) Sprache unterlassen. Auch die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Islam und den nötigen Anpassungen der Muslime an unser Gesellschaftssystem haben bisher gefehlt. Dabei bräuchte es dringend einen kritischen Dialog, der mit Toleranz und Respekt geführt wird.
Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion funktioniert nicht automatisch. Da muss die Politik nachhelfen, vor allem dann, wenn bestimmte politische Kräfte der Integration entgegenwirken, spalten und hetzen. Ein Staatssekretariat für Integration wäre daher ein wichtiger Beitrag, damit könnte der Komplex der Integration aus dem sicherheitspolitischen Kontext gelöst werden. Selbst dem besten Innenminister kann es nicht gelingen, sich neben seinen eigentlichen Aufgaben auf die wichtigen sozialen und bildungspolitischen Fragen zu konzentrieren.
In der Welt von heute gibt es bereits viel Mobilität, die künftig noch zunehmen wird. Dieses Faktum zu verleugnen und nicht an Strategien für ein besseres Zusammenleben zu arbeiten, wäre zum Schaden für uns alle. Daher gilt es, aus der Migration das Beste für die Menschen in diesem Land zu machen. Und das heißt, dass wir alle Menschen gut ausbilden und ihnen eine Chance geben müssen, ihr Können auch in Österreich zur Anwendung zu bringen.
Es wäre schlecht für unser Land, bekämen gut ausgebildete Menschen mit Migrationshintergrund grundsätzlich das Gefühl, in Österreich nicht gebraucht zu werden oder willkommen zu sein. Es darf nicht passieren, dass das kreative Potenzial in die Türkei zurückkehrt, wie es derzeit in Deutschland der Fall ist.
Hannes Swoboda ist sozialdemokratischer Abgeordneter
im EU-Parlament.