Zum Hauptinhalt springen

Fehlleistung bleibt Fehlleistung

Von Christian Rösner

Kommentare
Christian Rösner ist Leiter des Wien Ressorts.
© © Stefan Joham

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wenn bekannt wird, dass ein 14- Jähriger mit einem Besenstiel von Zellengenossen vergewaltigt wird und niemand eingreift, weil es zu wenig Personal in der Justizvollzugsanstalt gibt, dann löst das bei der Bevölkerung Betroffenheit aus. Und Betroffenheit ist eine normale menschliche Emotion. Die Aufgabe eines Politikers wäre in dieser Situation gar nicht so schwer zu erfüllen, würde man meinen: Einfühlsam diese Betroffenheit teilen, eine rasche Hilfe für das Opfer zusichern und die ebenso rasche Aufklärung der Umstände ankündigen.

Stattdessen wurde reflexartig jede Verantwortlichkeit dementiert, ja sogar das hohe Niveau des Jugendstrafvollzugs betont - und dazu noch Aussagen getätigt, die jegliches Einfühlungsvermögen vermissen ließen. Wie zum Beispiel die Aussage: "Strafvollzug ist nicht das Paradies." Oder etwa die Antwort auf die Frage nach einer möglichen Entschädigung für das Opfer: "Also ich kann als Justizministerin nicht da sitzen und mit dem Geld um mich werfen."

Drei Tage später die Kehrtwende: "Ein 14-Jähriger, der in staatlicher Obhut missbraucht wird, das darf es nicht geben." Plus: eine Entschuldigung für die vorangegangenen medialen Auftritte. Plus: ein Entschuldigungsbrief an den 14-Jährigen. Plus: eine Ankündigung von Maßnahmen - die allerdings laut einem leitenden Staatsanwalt aus dem Justizministerium theoretisch schon längst umgesetzt werden könnten. Denn die Richter haben bereits die Möglichkeit, U-Häftlinge alternativ mit elektronischer Fußfessel unter Hausarrest zu stellen.

All das hinterlässt viele Fragezeichen. Wurde die Ministerin schlecht beraten? Falls ja: Wie kann sie als gelernte Politikerin so unreflektiert diese kommunikationstechnische Fehlleistung übernehmen? Und falls nein: Wie kann sie als gelernte Politikerin so unreflektiert diese kommunikationstechnische Fehlleistung begehen?