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Fehlstart beim globalen Klimaschutz

Von Erwin Mayer

Gastkommentare

Stellen wir uns einen 100- Meter-Sprint, ein Olympia finale vor. Alle Läuferinnen warten auf den Startschuss. Jede passt konzentriert darauf auf, dass sie sich nicht zu früh bewegt, denn dann wäre sie ausgeschieden. Die Konzentration auf die anderen Läuferinnen ist so hoch, dass der Startschuss überhört wird und alle zwei Wochen lang in den Startlöchern verharren, bis sie jemand darauf aufmerksam macht, dass die Olympischen Spiele vorbei sind und alle nach Hause fliegen können.


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Das Hauptproblem beim größten Umweltschutzgipfel aller Zeiten, zumindest was die Anzahl der angereisten Länder und Teilnehmer betrifft, war der feste Glaube sowohl der Industriestaaten als auch der Entwicklungsländer, dass Wirtschaftswachstum nur mit höheren CO2-Emissionen einhergehen kann und ein Alleingang beim Klimaschutz wirtschaftliche Nachteile brächte. Da bisher kein reiches Industrieland eine deutliche Entkoppelung von Wohlstand und Treibhausgasemissionen vorzeigen konnte, waren auch die Entwicklungs- und Schwellenländer nicht bereit, auf Wachstum zu verzichten, das angeblich mehr Gebrauch fossiler Energien nach sich ziehen muss.

So versuchten alle Teilnehmer, andere Nationen zu mehr Zugeständnissen zu bewegen, ohne aber selbst zu früh die Karten auf den Tisch legen zu wollen und ein höheres Reduktionsziel als die anderen anzubieten. Die EU wollte nicht auf 30 Prozent oder 40 Prozent bis 2020 gehen, Obama konnte sein Angebot wegen der Blockade im Repräsentantenhaus nicht nachbessern und China will sein wirtschaftliches Überholmanöver nicht mit absoluten Reduktionszielen gefährden. Es war daher nur logisch, dass jetzt nur eine unverbindliche politische Absichtserklärung der Staatengemeinschaft vorliegt, ohne Reduktionsziele und unter völliger Missachtung wissenschaftlicher Vorgaben zum Klimaschutz.

Es braucht zumindest eine Läuferin, etwa die EU, die erkennt, dass nach dem Startschuss ein Vorauslaufen wirtschaftlich sinnvoll ist und mehr Vorteile als Nachteile bringt. Wenn die Politik dazu nicht in der

Lage ist, sollte sie die Europäer in einer Volksabstimmung entscheiden lassen.