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Als historischer Moment war die Unterzeichnung der Beitrittsverträge deklariert. Doch von der feierlichen Stimmung, die am Fuße der Akropolis herrschen musste, drang kaum etwas nach draußen. Nur das griechische Fernsehen übertrug den Festakt vor Ort; beinahe die gesamte Altstadt war abgesperrt. Währenddessen besiegelten die Staats- und Regierungschefs in der Stoa des Attalos die Erweiterung der Europäischen Union um zehn Staaten.
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Die Parolen sind schon seit dem frühen Morgen zu hören. Kriegs- und GlobalisierungsgegnerInnen haben vor dem Parlament Stellung bezogen und sind damit den Aufrufen von Gewerkschaften, dem "Griechischen Sozialen Forum" oder der "Allianz: Stopp den Krieg" gefolgt. Die letzten Transparente werden gemalt, einige Menschen halten rote Fahnen hoch.
"Die protestieren immer", kommentiert ein Polizist. "Gegen den Krieg, gegen die EU..." Die vielen SicherheitsbeamtInnen seien aber nicht wegen der DemonstrantInnen hier, fügt der Mann hinzu - vielmehr zum Schutz der Staats- und Regierungschefs, die vor der Unterzeichnung der Beitrittsverträge im nah gelegenen Zappion zusammen kommen.
Der Irak-Krieg als Demo-Grund
Es sei ein Willkommensgruß für die "Verbrecher Blair und Aznar", erklärt ein Demonstrant. Die Proteste richten sich in erster Linie gegen jene europäischen Ministerpräsidenten, die sich im Irak-Konflikt an die Seite der USA gestellt haben. "Wir wollen Tony Blair daran erinnern, dass er einen Friedensplan ausarbeiten wollte", sagt der Demonstrant und wendet sich wieder seinem Plakat zu. So viel mediale Aufmerksamkeit wird den Protestierenden selten zuteil. Am Nachmittag ist davon nicht mehr viel übrig. Nur noch ein paar Poster erinnern daran.
Noch weniger tut sich rund um den Unterzeichnungsort. Die Geschäfte und Kaffeehäuser entlang der antiken Agora, sonst ein Anziehungspunkt für TouristInnenmassen, sind geschlossen, die Rollläden sind runtergezogen. Wenige Zaungäste, BewohnerInnen der umliegenden Häuser, haben sich auf Balkonen postiert oder ihre Sessel vor die Tür gestellt, um den vorbeirauschenden Limousinen zuzusehen. Beinahe die gesamte Altstadt ist abgesperrt. Nur in der Ermou, einer der Kärntner Straße vergleichbaren Einkaufsstraße, herrscht der gewohnte Trubel. Bei einigen stoßen die Blockaden auf Unverständnis. "Athen ist doch eine freie Stadt", heißt es.
Mit dabei, aber nicht in dieser Runde
An den von der Öffentlichkeit abgeschirmten Gesprächen nehmen auch VertreterInnen von Ländern teil, die in dieser Erweiterungsrunde nicht berücksichtigt wurden: Rumäniens, Bulgariens und der Türkei. "Wir wollen es uns von innen anschauen", meint auch Sami, ein türkisch-zypriotischer Journalist - und lässt dabei ein wenig Bitterkeit heraushören. Denn der türkische Teil der Insel würde selbst gern beitreten.
Sami sieht das Scheitern des Annan-Plans, Zypern in seiner Gesamtheit in die EU aufzunehmen, als vertane Chance an. Die Möglichkeiten auf einen baldigen Beitritt der anderen Inselhälfte seien nun geringer. Der griechische Teil Zyperns, ökonomisch schon jetzt stärker, werde sich nun noch weniger Bedingungen von der Türkei diktieren lassen. Und im türkischen Teil Zyperns werden sich die Abwanderungstendenzen nur noch vertiefen.
Doch auch Regierungschefs der Kandidatenstaaten sind vor Problemen nicht gefeit, sobald sie wieder zu Hause sind. Zwar sind die Beitrittsverträge nun unterzeichnet. Doch ob die Länder der EU beitreten, müssen in den meisten von ihnen noch die BürgerInnen entscheiden, so wie es bereits in Malta, Slowenien und Ungarn der Fall war. In Zypern findet keine Abstimmung statt.
Die Angst der Regierungen vor der Volksabstimmung
In sechs Staaten stehen noch EU-Referenden an. Dabei ist Slowenien für die EU-BefürworterInnen das leuchtende Beispiel - dort haben vor wenigen Wochen fast 90 Prozent für die Mitgliedschaft gestimmt.
In Malta ist das knappe Ja zum Beitritt durch den Sieg der Nationalistischen Partei bei den Parlamentswahlen vorige Woche bestätigt worden. Mit heftigem Applaus begleiteten denn auch maltesische JournalistInnen im Pressezentrum die Vertragsunterzeichnung durch Ministerpräsident Eddie Fenech Adami.
Das Ergebnis der ungarischen Abstimmung hingegen gilt vielen Regierungen als Warnsignal: Nicht einmal 50 Prozent haben sich an dem Referendum beteiligt. In der Slowakei und in Polen ist das ein Grund zur Sorge, immerhin muss sich dort die Hälfte der Wahlbeteiligten zu den Urnen begeben, damit die Volksabstimmung Gültigkeit besitzt. Warschau hat bereits reagiert: Im Parlament zeichnet sich eine Mehrheit für ein zweitägiges Referendum ab. Ursprünglich war geplant, lediglich an einem Tag, dem 8. Juni, über den EU-Beitritt abzustimmen. Dennoch: Laut aktuellen Umfragen wollen sich 64 Prozent an dem Referendum beteiligen, 68 Prozent wollen sich für die Mitgliedschaft aussprechen.
Müsste darüber im Parlament abgestimmt werden, würde das die Sorgen der polnischen Regierung nicht unbedingt mindern. Im Falle einer zu geringen Wahlbeteiligung kann der Sejm den EU-Beitritt mit einfacher Stimmenmehrheit beschließen. Doch diese ist keinesfalls gewiss.
Unsicherheit über den Ausgang der Abstimmung herrscht ebenso in Estland. Auch wenn Estland als Bewerberstaat eine Vorreiterrolle übernommen hatte, hält sich die Begeisterung über den baldigen Beitritt in Grenzen. Obwohl das Land als erste baltische Republik 1998 die Beitrittsverhandlungen mit der EU aufgenommen hat, was Litauen und Lettland wiederum nicht in Euphorie versetzte. Doch zwei Jahre später wurden die Verhandlungen auch mit diesen Staaten aufgenommen - und im Dezember des Vorjahres in Kopenhagen abgeschlossen. Trotz ermüdender Debatten war dort von feierlicher Stimmung mehr zu spüren.