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Im "Falter" thematisieren die Journalistinnen Corinna Milborn, Ingrid Thurnher, Hanna Herbst und Barbara Kaufmann die Hassbotschaften, die sie über sich ergehen lassen müssen, wenn sie ihre Meinung veröffentlichen. Gut so: Endlich wagen es vier Journalistinnen, das Thema der Hassbotschaften anzusprechen! Naturgemäß machen sie es aus der Perspektive der journalistisch tätigen Frau. Es wäre indessen verfehlt anzunehmen, dass sich Hassbotschaften nur gegen Frauen richten. Als ich in einem Artikel die Verbrechen der christlichen Lord’s Resistance Army erwähnte, wünschte mir ein Leser, ich würde vom IS enthauptet und von Muslimen gefickt. In dieser Abfolge der Ereignisse, wohlgemerkt. Ein anderer sendet mir E-Mails, die, nebst persönlichen Beleidigungen, die Frage enthalten, ob ich schwul sei - was dem Autor dieser Mails offenbar despektierlich erschiene. Jede Kollegin und jeder Kollege hat ähnliche Erfahrungen gemacht.
Wobei man sich als Journalist ohnedies eine höhere Toleranzschwelle zugelegt hat. Aber es wird in den sozialen Netzwerken nicht minder mit sexuell aufgeladenen und gewalttätigen Begriffen gegen jeden Menschen gepöbelt, dessen Meinung vom Mainstream, fließe er nun eher links oder eher rechts, abweicht. Fast immer verschanzen sich die Schreiber hinter den Anonymisierungsmöglichkeiten des Internets. Womit sich die Frage stellt, ob der Hass aus der Feigheit resultiert oder die Feigheit aus dem Hass. Und vor allem: Ob allmählich jeder, der im Sinn der Demokratie und der pluralistischen Gesellschaft seine Meinung kundtut, lernen muss, mit Hasstiraden gegen seine Person zu leben.