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Feilen am gemeinsamen Kapitalmarkt

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU-Kommissar Hill drängt Finanzminister zu rascherem Handeln.


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Riga. Werbung machen für ihre Anliegen: Nicht nur Minister nutzen dazu die regelmäßigen Treffen mit ihren Amtskollegen aus der Union. Auch für EU-Kommissare ist es eine Gelegenheit, sich für ihre Vorhaben einzusetzen. Das tat denn auch der für den Finanzmarkt zuständige Kommissar Jonathan Hill bei der Zusammenkunft der Finanzminister in der lettischen Hauptstadt Riga. Nicht nur in der großen Runde sondern auch in zahlreichen Einzelgesprächen warb der Brite für eine rasche Schaffung der Kapitalmarkt-Union, in der sich europäischen Unternehmen neue Geldquellen erschließen sollen.

Die erleichterte Finanzierung für Betriebe und Infrastruktur-Projekte soll mehr Investitionen ermöglichen und so zur Ankurbelung der Wirtschaft beitragen. Doch noch immer ist es für kleine und mittlere Firmen schwieriger als für Großkonzerne, Kredite zu erhalten. Da aber in Europa die Unternehmen bei der Kapitalaufnahme stark von Banken abhängig sind, ist die Wirtschaft anfälliger, wenn weniger Kredite vergeben werden.

Um dem entgegenzuwirken, will die Kommission mehr Finanzierung über den Aktienmarkt ermöglichen. Sie schlägt etwa vor, die Regeln für Börsenprospekte zu lockern, mit denen Firmen ihren potenziellen Investoren Informationen zur Verfügung stellen. Ebenso soll dem Markt für Verbriefungen mehr Schwung verliehen werden. Barrieren zwischen den Ländern und die Zersplitterung der Märkte sollen überwunden werden. Meinungen dazu holt die Brüsseler Behörde noch bis Mitte Mai ein, und einen Aktionsplan will sie bis Sommer erstellen. Im Jahr 2019, hofft Hill, könnte die Kapitalmarkt-Union Realität werden.

Finanzierung für Mittelstand

Es sei ein langfristiges Projekt, räumte der Kommissar ein. Doch sei es "extrem wichtig und sehr dringend, damit zu starten". Immer wieder verweist Hill dabei auf das Beispiel der USA. Dort sei der Markt für das Risikokapital fünf Mal so groß wie in der EU. Wenn diese aber in dem Bereich ähnlich entwickelt wäre, hätten die Unternehmen von 2008 bis 2013 zusätzliche 90 Milliarden Euro an Finanzierung anzapfen können, rechnete der Kommissar vor einiger Zeit vor.

Doch auch wenn Hill betont, dass das Vorhaben die Bankengeschäfte nicht ersetzen sondern ergänzen soll, regt sich auch Kritik an den Plänen. So warnen in Deutschland Sparkassen vor möglichen Schäden für die Finanzierung des Mittelstandes, für den der Unternehmenskredit nun einmal die wichtigste Form darstelle. Auch in Österreich brachten Geldhäuser den Einwand, dass nicht alle Kapitalmärkte so ausgebildet seien, wie es sich die Kommission vorstelle.

Eine Berücksichtigung der Unterschiede forderte denn auch der österreichische Finanzminister Hans-Jörg Schelling beim Treffen in Riga ein. Das Thema der Kapitalmarkt-Union bildete dort einen Schwerpunkt der Beratungen. Neue Geldquellen seien notwendig, erklärte Schelling und stellte gleichzeitig klar, dass die Möglichkeiten kleiner Länder mit kleinen Unternehmen nicht eingeschränkt werden dürften.

Kampf dem Steuerbetrug

Entschiedener als bei der Errichtung der Kapitalmarkt-Union wollen die Regierungen aber gegen Steuerbetrug vorgehen. Wobei die Mitgliedstaaten unterschiedliche Schwerpunkte setzen, wie sich einmal mehr bei der Minister-Zusammenkunft zeigte.

Wien und Prag etwa drängen darauf, den so genannten Karussellbetrug bei der Mehrwertsteuer einzudämmen. Unternehmen, die oft nur zum Schein länderübergreifend zusammenarbeiten, soll erschwert werden, die Steuerzahlung durch Verschiebungen in der Lieferkette zu vermeiden. Immerhin würden den öffentlichen Haushalten in der EU dadurch geschätzte 17 Milliarden Euro jährlich entgehen, erläuterte Schelling.

Dass die Kommission unionsweite Gegenmaßnahmen erarbeiten wird, sieht der Finanzminister jedoch als unwahrscheinlich an. Deswegen werden sich wohl einige Länder – darunter eben Österreich und Tschechien – zusammenschließen, um Pilotprojekte zu starten.
Der Kampf gegen Steuerbetrug soll aber auch andere Vorhaben umfassen. Ein Schritt dazu ist der bereits beschlossene Austausch von Informationen über Bankkonto-Daten. Mehr Transparenz soll es künftig ebenfalls bei den Absprachen geben, die Finanzbehörden mit internationalen Konzernen treffen. Eine Harmonisierung der Bemessungsgrundlage etwa bei der Unternehmensbesteuerung ist auch Gegenstand der Debatte.