Europäische Kommission präsentiert Pläne für Bankenaufsicht.
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Brüssel. Zuerst zeigt sich der Präsident im Profil. Besonnen schaut Jose Manuel Barroso nach rechts. Dann wendet er sich direkt an den Zuschauer. Für viele Europäer seien es harte Zeiten, räumt der EU-Kommissionspräsident in der Videobotschaft ein. Die Menschen hätten viele Fragen, und ein paar davon wolle er beantworten.
Es ist ein Aufruf an die Bürger, schriftlich oder per Video Fragen "zur Lage der Union" einzuschicken, auf die Barroso in einer live übertragenen Interview-Stunde am 19. September eingehen will. Und es ist ein Versuch mehr, den die Brüsseler Behörde unternimmt, um ein wenig Volksnähe zu suggerieren.
Fragen von EU-Parlamentariern wird sich der Kommissionspräsident aber schon früher stellen müssen. Das ist für heute, Mittwoch, geplant, wenn Barroso im Abgeordnetenhaus in Straßburg seine jährliche "Rede zur Lage der Union" hält. Und auch wenn er meist um Optimismus bemüht ist, wird er nicht um eine Darlegung herumkommen, wie Brüssel auf die andauernde Krise zu reagieren gedenke.
Pläne dafür gibt es etliche. Einige von ihnen betreffen neue Regelungen für Banken, die künftig aufwendige und teure Rettungen von ins Straucheln geratenen Geldinstituten vermeiden sollen. Die Details will EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier ebenfalls am heutigen Mittwoch präsentieren. Doch schon jetzt ist klar, dass der Europäischen Zentralbank (EZB) eine gewichtige Rolle bei der Aufsicht der Banken zukommen soll. Eine Bedeutung, die manchen Ländern - wie Deutschland - zu groß erscheint.
Die EZB soll nämlich ab 2014 Eingriffsrechte für an die 6000 Banken in der Euro-Zone besitzen. Laut Barniers Vorschlag sollte die Zentralbank "in die Lage versetzt werden, Überwachungsaufgaben in Bezug auf alle Banken zu übernehmen". Sie soll dann über Banklizenzen und deren Entzug entscheiden können, ebenso über Fusionen und Verkäufe von Geschäftsbereichen sowie die Höhe des Kapitals, mit dem ein Unternehmen ausgestattet sein muss. Außerdem soll sie Strafen und Geldbußen verhängen dürfen. Nationale Aufseher sollen künftig nicht viel mehr als eine Assistentenrolle übernehmen und etwa für Verbraucherfragen zuständig sein. Starttermin soll bereits Anfang des nächsten Jahres sein. Ab Jänner 2013 soll die EZB aber erst jene Banken überwachen, die bereits Hilfen aus EU-Töpfen erhalten haben. Ab Mai ist sie dann für mehr als zwei Dutzend systemrelevanten Banken zuständig, und spätestens ab 2014 sollen alle Geldinstitute beaufsichtigt werden.
Ruf nach mehr Eigenkapital
Berlin hält den Zeitplan für ambitioniert und würde eine abgestufte Kontrolle - mit eigener Überwachung für kleinere Banken - vorziehen. In kürzester Zeit eine schlagkräftige Aufsicht für tausende Institute aus dem Boden zu stampfen, sei nämlich unrealistisch, findet Finanzminister Wolfgang Schäuble. Auch müssten noch Pläne für Systeme zur Einlagensicherung sowie der Restrukturierung von Banken entworfen werden.
Dazu kommen aber noch andere Vorhaben, die darauf abzielen, den Finanzmarkt strikter zu regulieren. Die Anforderungen zum Eigenkapital etwa, das die Banken zurücklegen müssen, sollen nicht nur in die Kompetenz der EZB fallen, sondern sind auch Teil der Debatte um ein Vorschriftenpaket, das international als Basel III bekannt ist. Diese Regelungen will das EU-Parlament noch im Herbst behandeln.
Eine stärkere Aufsicht und höhere Eigenkapital-Quoten zieht Brüssel derzeit denn auch einer Aufspaltung von Großbanken vor. Diese Idee basiert auf Überlegungen zum Schutz von Sparern vor riskanten Geschäften von Investmentbankern: In Großbritannien etwa gibt es Pläne zur Trennung der Privatkunden-Sparte vom Investmentbanking.
Für die EU arbeitet derzeit eine Expertenkommission an möglichen ähnlichen Vorschlägen. Laut "Financial Times" will sie anregen, den riskanten Eigenhandel zu verbieten und einen Schutzschirm um die Einlagen der Sparer zu legen. Der endgültige Bericht der Gruppe wird jedoch erst für Oktober erwartet.
Die neuen Regeln fürs Eigenkapital dürften jedenfalls keinen so großen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten, wie es so mancher Ökonom befürchten. Zu diesem Schluss kommt zumindest der Internationale Währungsfonds (IWF) in einer aktuellen Studie zu den geschätzten Kosten der Finanzmarkt-Regulierung. So würden die Kreditkosten in den USA auf lange Sicht um vielleicht einen viertel Prozentpunkt steigen und in Europa noch weniger. Solch eine Bewegung hätte kaum Auswirkungen auf die Wirtschaft eines Landes, befindet der IWF.