EU-Kommission will 160.000 Flüchtlinge umsiedeln, Staaten konnten sich nicht auf 40.000 einigen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel. Zweckoptimismus ist das Gebot der Stunde. Zumindest in der EU-Kommission. Denn wenn am Montag die Innenminister der EU in Brüssel zu einem Sondertreffen zusammenkommen, sollen sie über die Vorschläge der Behörde zur Verteilung zigtausender Flüchtlinge diskutieren - und bestenfalls die Pläne akzeptieren. Den Druck dazu hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei seinem Auftritt im EU-Parlament in Straßburg erhöht. Dort stieß der Appell Junckers, mit der Umsiedlung von insgesamt 160.000 Menschen rasch zu beginnen, auf Zustimmung. Mit deutlicher Mehrheit votierten die Abgeordneten gestern, Donnerstag, für das Vorhaben, einen permanenten Schlüssel zur Aufteilung von Schutzsuchenden in der EU zu fixieren.
Von den Mitgliedstaaten weiß die Kommission allerdings nur einige - doch gewichtige - auf ihrer Seite. Denn während sich Deutschland und Frankreich bereits für ein Quotensystem ausgesprochen haben, ist der Widerwille ost- und mittelosteuropäischer Staaten weiterhin groß. In Polen beruhigt Ministerpräsidentin Ewa Kopacz ihre Landsleute, dass sie sich nicht zu fürchten brauchen, da die Zahl der aufgenommenen Muslime stark begrenzt sein soll. Und ihr ungarischer Amtskollege Viktor Orban sieht laut eigenen Aussagen nicht ein, dass jemand sein Volk zu einem Zusammenleben mit großen muslimischen Gemeinschaften zwingen sollte. In beiden Staaten wird die Debatte um Flüchtlinge weit mehr unter dem sicherheitspolitischen als dem humanitären Aspekt geführt.
So zeichnet sich vor der Sitzung der Innenminister noch kein Meinungsumschwung ab - obwohl die Dringlichkeit der Lage mittlerweile bekannt sein müsste. Daher bleibt auch offen, wie die Kommission die Mitgliedstaaten dazu bewegen will, die zusätzlichen 120.000 Aufnahmeplätze zu schaffen und einem verbindlichen Verteilungsschlüssel zuzustimmen.
Denn schon auf den Notfall-Plan, den die Brüsseler Behörde im Mai vorgelegt hatte, konnten sich die Regierungen nicht einigen. Damals war von 40.000 Schutzsuchenden die Rede, die von Griechenland und Italien aus in der gesamten EU umgesiedelt werden sollten. Die Kriterien für die Berechnung der Plätze in den einzelnen Ländern waren unter anderem die Bevölkerungszahl, die Wirtschaftskraft und die Arbeitslosenquote.
Auf dieses Konzept der Kommission konnten sich die EU-Minister nicht verständigen. Etliche von ihnen pochten auf Freiwilligkeit: Statt die vorgesehene Quote zu erfüllen, meldeten sie in Brüssel, wie viele Asylwerber sie übernehmen könnten. Auf diese Weise wurden allerdings lediglich etwas mehr als 32.000 Zusagen gesammelt. Die fehlenden 8000 Plätze von den 40.000 sind weiterhin nicht in Sicht.
Nun aber sind die Länder aufgefordert, zusätzliche 120.000 Flüchtlinge - vor allem Syrer, Iraker und Eritreer - aufzunehmen, um Griechenland und Italien sowie Ungarn zu entlasten. Österreich müsste sich um 3640 Menschen kümmern. Die Kommission liefert einen finanziellen Anreiz: Für jeden umgesiedelten Schutzsuchenden würde das Land, das dann das Asylverfahren zu Ende führen soll, einen Zuschuss in Höhe von 6000 Euro erhalten.
Wer sich aber nicht beteiligen will, soll umgekehrt dafür zahlen. Kann sich ein Staat aus triftigen Gründen - etwa wegen einer Naturkatastrophe - an seine Aufnahmeverpflichtung nicht halten, muss er einen Beitrag zum EU-Haushalt leisten, in der Höhe von bis zu 0,002 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Seine Teilnahme kann er jedoch nur zwölf Monate lang verweigern.