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Start-Abkommen läuft heuer aus. | US-Raketenschild als Stolperstein. | Moskau. Die USA und Russland wollen einen Neustart in ihren Beziehungen wagen. Im ersten Amtsjahr von Präsident Barack Obama soll dabei die atomare Abrüstung eine zentrale Rolle spielen, die unter seinem Vorgänger George W. Bush ins Stocken geraten ist.
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Dieser hatte es verpasst, ein neues Abkommen mit Moskau auszuhandeln, um den im Dezember dieses Jahres auslaufenden Start-I-Vertrag zu ersetzen.
Offizielle Verhandlungen über einen Nachfolgevertrag haben nun begonnen. Denn ohne gültigen Vertrag endet auch das System gegenseitiger Kontrollen.
Doch dies ist letztlich nur ein Randproblem. Im Kern geht es um viel mehr: Die Atommächte haben sich bereits 1968 im Atomwaffensperrvertrag dazu verpflichtet, auf eine Vernichtung ihrer nuklearen Arsenale hinzuarbeiten. Nur wenn sie dieses Ziel glaubhaft weiter verfolgen, werden sie die Autorität besitzen, um aufgrund des Sperrvertrages Ländern wie dem Iran oder Nordkorea eine atomare Bewaffnung zu untersagen.
Deshalb möchten Obama und sein russischer Amtskollege Dmitri Medwedew mit gutem Beispiel vorangehen. Bei ihrem ersten Treffen in London Anfang April unterzeichneten sie dazu eine gemeinsame Erklärung: "Als die zwei größten Atomstaaten wollen wir bei der Reduktion nuklearer Waffen eine Führungsrolle übernehmen. Wir haben unsere beiden Länder dazu verpflichtet, eine atomwaffenfreie Welt zu erreichen", heißt es darin.
Die am Dienstag in Moskau aufgenommenen Verhandlungen für ein neues Abkommen bis Jahresende sollen nur ein erster Schritt sein. Die Delegationen wurden auf russischer Seite von Anatoli Antonow, dem Chef für Sicherheit und Abrüstung im Außenministerium, sowie auf US-Seite von US-Vizeaußenministerin Rose Goettemoeller angeführt. Die Nominierung der ausgewiesenen Spezialistin für diese Aufgabe zeigt, wie wichtig die Sache der Obama-Administration ist: Goettemoeller hatte zuvor in Moskau das Carnegie-Zentrum, eine amerikanische Denkfabrik, geleitet.
Moskau verlangt von USA Entgegenkommen
Da sich die Staatsspitzen für ein neues Abkommen ausgesprochen haben, gehen die meisten Experten davon aus, dass die Verhandlungen zu einem Abschluss kommen werden. Die Frage ist allerdings, wie weit diese Abrüstung gehen wird. Der größte Stolperstein sind dabei nicht die Atomraketen, sondern das von den USA geplante Abwehrsystem in Osteuropa.
Eine Reduktion unter 1300 einsatzbereite Nuklearwaffen sei nur möglich, wenn die USA bei der Raketenabwehr zu Abstrichen bereit sei, hieß es in Moskau. Zurzeit verfügen beide Seiten über rund 3000 einsatzfähige nukleare Gefechtsköpfe. Das 2001 unterzeichnete Sort-Abkommen sieht eine Reduktion auf 2200 einsatzbereite Sprengköpfe vor.
Da Russland sein nukleares Abschreckungspotential durch die geplante US-Raketenabwehr in Polen und Tschechien gefährdet sieht, wird der Kreml einer weitergehenden Abrüstung demnach nur in Verbindung mit dieser Frage zustimmen. Die USA müssten entweder auf die Abwehr verzichten oder Russland an ihrer Entwicklung und Kontrolle beteiligen. Auch in dieser Sache zeigt sich Obama zwar flexibler als sein Vorgänger Bush. Für ein Entgegenkommen bei der Raketenabwehr dürfte der neue US-Präsident von Russland allerdings eine härtere Linie gegenüber dem Iran und seinem Atomprogramm fordern.
Wie die Verhandlungen aber auch immer enden mögen, Russland wird kaum je bereit sein, ganz auf Nuklearwaffen zu verzichten. Denn seine übrigen Streitkräfte befinden sich in einem desolaten Zustand und liegen technologisch weit hinter der US-Militärmacht zurück. Der Kreml tut sich zudem schwer, sich vom Bedrohungsszenario des Kalten Krieges zu trennen. Das lieb gewonnene Feindbild USA hat als Instrument zur innenpolitischen Stützung des Regimes längst nicht ausgedient.