Griechenland braucht viel mehr Geld - daher ein neues Rettungspaket.
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Brüssel. Die Verhandlungen über eine umfassende Antwort auf die Eurokrise konzentrieren sich vor den entscheidenden Treffen der Staats- und Regierungschefs am Mittwoch auf zwei Kernbereiche. Erstens sollen die eben erst auf 440 Milliarden Euro angehobenen Mittel des Eurorettungsschirms EFSF noch einmal ordentlich gehebelt werden. Zweitens muss es einen tieferen Schuldenschnitt für Griechenland geben, als bisher vereinbart. Denn die griechische Wirtschaftsentwicklung ist laut dem noch inoffiziellen Bericht der EU-Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalen Währungsfonds (IWF) wesentlich verheerender als bisher angenommen.
Bis zu 252 Milliarden Euro müsste das zweite Rettungspaket für Hellas aus dem EFSF demnach betragen, wenn die Banken nicht stärker zur Kasse gebeten werden. Das im Sommer mit 109 Milliarden Euro veranschlagte Notkreditprogramm muss daher neu verhandelt werden. Statt des damals verlangten "freiwilligen" Schuldennachlasses privater Gläubiger von 21 Prozent sollen es jetzt 50 bis 60 Prozent sein. Nur dann kann das Ausmaß des Rettungspakts für den EFSF in etwa gleich bleiben. Die Vertreter des internationalen Bankenverbandes IIF haben bisher freilich keine Anstalten gemacht, die neuen Vorschläge "freiwillig" zu schlucken. Angeblich lag das letzte Angebot am Montag immerhin bei 40 Prozent.
Weil auch Italien immer mehr ins schiefe Licht der Märkte gerät, fällt der Erhöhung der EFSF-Feuerkraft besondere Bedeutung zu. Im Rennen sind zwei Varianten - oder eine Kombination daraus. Eine ist die "Teilkaskovariante", bei der der Rettungsschirm nur für einen Anteil von zum Beispiel 20 Prozent für neu ausgegebene Staatsanleihen schwächerer Euroländer haften würde. Die würden so für Investoren attraktiver, die Zinsen daher niedriger, so die Hoffnung. Für einen Euro aus dem EFSF erhielten die Staaten fünf in die Kassa.
Die zweite Möglichkeit ist die Schaffung eines neuen Investmentvehikels oder Fonds, an dem sich der EFSF, der IWF und womöglich noch Staatsfonds aus anderen Triple-A-Ländern wie Norwegen beteiligen könnten. Nötig wäre dafür freilich ein Sanktus der G20. Darüber hinaus könnten womöglich sogar private Investoren Interesse daran finden, in diese Fonds einzuzahlen - mit Wahlmöglichkeit unterschiedlicher Risikoklassen und Renditechancen.
Zusammen kämen weit höhere Mittel zustande, als die derzeitigen 440 EFSF-Milliarden. So soll Spekulanten die Lust auf Wetten gegen große Euroländer wie Italien und Spanien verdorben werden, weil im Ernstfall sogar diese gerettet werden könnten.
Ankauf als Hilfe für Italien
Um es nicht soweit kommen zu lassen, beraten die Experten inzwischen, ob der EFSF italienische Staatsanleihen vom Sekundärmarkt kaufen soll. Bereits im Sommer hatte die EZB das im großen Stil gemacht, um Italien etwas vom Marktdruck zu befreien.
Eine Annäherung hat es bereits bei der Rekapitalisierung der Banken gegeben, die dafür sorgen soll, dass die Institute den griechischen Schuldenschnitt besser wegstecken können. Geplant ist eine Aufstockung der Kernkapitalquote auf neun Prozent. Dabei sollen die Staaten den Geldinstituten aushelfen, wenn diese es aus eigener Kraft nicht schaffen. In letzter Konsequenz könnte der EFSF für die Kapitalaufstockung mobilisiert werden.
Einen Schritt weiter wollen Merkel und Sarkozy dabei gehen, säumige Schuldnerländer künftig besser zu disziplinieren. Dafür soll es eine "begrenzte Änderung" des Lissabonner Vertrags geben, über deren Möglichkeiten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy im Dezember Bericht erstatten soll. Ziel sei ein zentrales Durchgriffsrecht einer EU-Behörde auf die Haushalte von Euroländern, welche gegen den Stabilitätspakt verstoßen und Korrekturempfehlungen der EU-Kommission nicht ausreichend umsetzen, hieß es. Zudem sollen notorische Schuldensünder vor dem Europäischen Gerichtshof zur Verantwortung gezogen werden.
Faymann: "Noch nicht fix"
Mit diesen Vorschlägen sind die Protagonisten aus Berlin und Frankreich nicht nur auf Gegenliebe gestoßen. Vor allem Großbritannien und Schweden waren dagegen. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann meinte, die Vertragsänderung sei noch keineswegs beschlossen. Er hatte in der "Kronen Zeitung" für jeden Eingriff, "der die Interessen Österreichs berührt" eine Volksabstimmung versprochen.
Vorläufig abgesegnet wurde von den Eurofinanzministern die nächste Hilfskredittranche für Griechenland über acht Milliarden Euro. Die brauchen die Griechen bis Mitte November, um nicht pleitezugehen. Zustimmen muss noch der IWF, der Belege für die längerfristige Refinanzierbarkeit des schwächsten Eurolandes will. Dafür müssen sich die Staatschefs auf ein funktionierendes zweites Hilfspaket für Griechenland einigen. Dessen Höhe kann aber erst festgelegt werden, wenn klar ist, auf wie viel Geld die Banken "freiwillig" verzichten.