Kommission warnt vor Haushaltslücke nach EU-Austritt Großbritanniens.
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Brüssel/Wien. Neue Brisanz für ein altes Thema: Die Finanzierung der Europäischen Union rückt wieder in den Fokus. Wie kann die EU, bisher stark abhängig von den Beiträgen der Mitgliedstaaten, mehr Eigenmittel lukrieren? Diese regelmäßig auftauchende Frage erhält vor dem EU-Austritt Großbritanniens einen neuen Aspekt. Denn mit dem Brexit öffnet sich eine Finanzlücke für den gemeinsamen Haushalt, die die EU-Kommission derzeit auf zehn bis elf Milliarden Euro pro Jahr schätzt.
Auch daran muss die EU ihre Budgetpläne anpassen. Daher präsentierte Haushaltskommissar Günther Oettinger in Brüssel ein Reflexionspapier "über die Zukunft der EU-Finanzen". Denn nicht nur der Brexit stellt eine finanzielle Herausforderung dar. Eine solche ist beispielsweise auch die Bewältigung der Flüchtlingskrise.
Daher brauche die Union mehr Geld, findet die Kommission - eine immer wieder geäußerte Meinung, der sich das EU-Parlament anschließt. Die Obergrenze müsse "im nächsten Jahrzehnt maßvoll angehoben werden", erklärte Oettinger. Der langfristige Finanzplan der EU läuft über sieben Jahre; die derzeitige Periode endet 2020. In dieser Zeit sind Ausgaben in Höhe von rund einer Billion Euro vorgesehen - das entspricht etwa einem Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU-Staaten. Die meisten Mittel fließen in Infrastruktur-Projekte sowie in die Landwirtschaft.
Ruf nach mehr Eigenmitteln
Die Forderung nach mehr Geld untermauerte Oettinger mit einem Vergleich: Von 50 Euro, die ein EU-Bürger ins Budget einzahlt, würde ein Euro nach Brüssel überwiesen. In den USA hingegen würden von 50 Dollar 30 nach Washington gehen.
Um die Höhe der nationalen Beiträge, um die Ausstattung der Fördertöpfe und die Mittelverteilung gibt es trotzdem regelmäßig ein zähes Feilschen. Die Mitgliedstaaten wollen weniger Geld zur Verfügung stellen als EU-Kommission und -Parlament gern hätten.
Das ist auch der Hintergrund für die Debatte um mehr Eigenmittel für die Gemeinschaft. Die Kommission führt mehrere Optionen dafür an. Denkbar sind für sie etwa gemeinsame Energie- oder Umweltsteuern, die gleichzeitig einen politischen Zweck verfolgen: gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen und ein Beitrag zum weltweiten Kampf gegen den Klimawandel. Ähnlich könnte ein gewisser Prozentsatz der gemeinsamen Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer oder der Finanztransaktionssteuer den Binnenmarkt stärken.
Für die Budgetpläne insgesamt gibt es ebenfalls mehrere Varianten: bedeutend mehr Eigenmittel, Umschichtungen, Kürzungen oder ein verstärkter Einsatz von Finanzinstrumenten und Garantien, wie etwa beim EU-Investitionsfonds. Ein weiteres Szenario wäre laut Kommission ein "radikaler Umbau", der sich ergeben würde aus einer starken Reduzierung der landwirtschaftlichen sowie Infrastruktur-Förderungen und der gleichzeitigen Konzentration auf gemeinsame andere Schwerpunkte. Die Diskussionen darüber stehen erst am Anfang.