)
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
In Zeiten wahl- und zielloser Terroranschläge erinnerte das ARD am Mittwochabend an jene Tage, als Terroristen sich - man möchte fast meinen: mit deutscher Gründlichkeit - ihre Opfer noch gezielt aussuchten. In der Dokumentation "Schleyer. Eine deutsche Geschichte" ging es aber zuvorderst gar nicht um die Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer durch eine RAF-Einheit, sondern um das Leben eines Mannes, das durch den spektakulär-tragischen Tod nahezu völlig verdeckt wurde. Der Film von Lutz Hachmeister begab sich auf die biografischen Spuren Schleyers, zeigte, wie der bullige Funktionär zum Feindbild der radikalen Linken wurde: seine Nazi-Vergangenheit als SS-Mitglied, danach seinen bruchlosen Aufstieg in der Bundesrepublik zum Vorstandsmitglied von Daimler-Bentz und zum zähen, brutal verhandelnden Unternehmervertreter.
Gezeigt wurde aber auch der Mensch hinter all diesen Masken, vor allem anhand seiner Familie: der Frau und drei höchst sympathischen Söhnen, die sich an ihren Vater als "tollen Kumpel" und "bescheidenen Menschen" erinnern. Begleitet und kontrastiert von Statements einstiger Weggefährten Schleyers, aber auch ehemaliger RAF-Mitglieder, die ihr Vorgehen teils bereuten, teils rechtfertigten, entstand ein sensibles physiognomisches Porträt einiger Jahrzehnte deutscher Zeit- und Mentalitätsgeschichte, ihrer Ideologien, Kämpfe, samt den dazu passenden Gesichtern - und all den absurden Rechtfertigungen von Gewalt. Blieb als Erleichterung beim Zuseher wenigstens der Eindruck, dass zumindest diese extremistischen Zeiten vorüber sind.