Zum Hauptinhalt springen

Feindschaften auf Griechisch

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Syriza möchte das sündhafte Dreieck zwischen den politischen Parteien, der ökonomischen Oligarchie und den Geschäftsbanken sprengen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Athen. Ausgerechnet in Alexander Graf Lambsdorff einen Anhänger des neuen griechischen Premiers Alexis Tsipras vom "Bündnis der Radikalen Linken" ("Syriza") zu sehen, wäre wohl vermessen. Doch was der deutsche FDP-Politiker und Vize-Präsident des Europaparlaments kürzlich in Berlin sagte, muss Europas Schreckgespenst ziemlich geschmeichelt haben.

Es sei positiv, so sinnierte Lambsdorff, dass jetzt weder die Pasok-Sozialisten noch die konservative Nea Dimokratia an der neuen Regierung beteiligt seien. Denn diese hätten Hellas schließlich in den Abgrund geführt. Tsipras hingegen sei von den Griechen gewählt worden, weil er "ein sauberes Image" habe und "nicht so korrupt wie seine Vorgänger" sei. Lambsdorffs Fazit: "Es wird von Tsipras erwartet, dass er das unheilvolle Dreieck aus Politik, Oligarchie und Medien in Griechenland bekämpfen wird."

Alles nur Wunschdenken? In dem vor dem jüngsten Urnengang präsentierten Syriza-Regierungsprogramm findet sich auf 24 Seiten jedenfalls nur ein einziges Mal das heikle Wort Oligarchie. Tsipras und Co. kündigen vollmundig an, Syriza werde "das sündhafte Dreieck zwischen den politischen Parteien, der ökonomischen Oligarchie und den Geschäftsbanken sprengen." Besser hätte es auch Lambsdorff nicht sagen können.

Medien zur Kassa gebeten

Es gehe überdies nicht an, dass Medien laufend hohe Defizite produzierten, ohne die laut Gesetz erforderliche Rekapitalisierung durchzuführen. Schließlich werde eine Syriza-Regierung die Betriebslizenzen, für die die Sender seit der Einführung des Privatfernsehens Ende der achtziger Jahre keinen Cent bezahlt hätten, neu ausschreiben. Dafür schlage "die Stunde Null", so Syriza.

Machen Tsipras und Co. ernst, könnte das für einige Hellas-Oligarchen durchaus teuer werden. Betroffen wären der einflussreiche Vardinogiannis-Clan, die Bobolas-Familie, Dimitris Kontominas sowie Jannis Alafouzos. Sie alle betreiben Medien. Beobachter hoffen darauf, dass Tsipras wenigstens in diesem Punkt hart bleibt.

Dies ist in anderen Fragen für die im ewigen Euro-Sorgenland weiter mächtigen Oligarchen nicht so sicher. In dem 18 Punkte umfassenden "Politischen Beschluss" des Syriza-Gründungskongresses im Juli 2013, bei der sich Syriza erstmals als einheitliche Partei formierte, ist in bestem Marx-Jargon zu lesen, "die Partei, die wir heute gründen, strebt aus der Sicht des Sozialismus des 21. Jahrhunderts an, sich für die Forderungen der Arbeitnehmer sowie der unterdrückten gesellschaftlichen Klassen und Schichten einzusetzen."

An einer anderen Stelle des betreffenden Syriza-Dokuments heißt es zudem unverhohlen: "Die Staatseinnahmen haben aus der Besteuerung des Reichtums, der Reingewinne, hoher Einkommen, des großen Immobilien- und Kirchenvermögens sowie der Abschaffung der Privilegien der Oligarchie und der multinationalen Unternehmen zu resultieren."

Nur: Konkrete Angaben über die Besteuerung der Reichen fehlen völlig. Der Klassiker auf Seite der Fragsteller an Syriza-Politiker im jüngsten Express-Wahlkampf zu Füßen der Akropolis war denn auch: "Wann ist für Sie jemand reich?" Unisono wichen die linksradikalen Befragten der kniffligen Frage aus.

Widersprüchliche Koalition

Der Juniorpartner in der Athener Koalition, die marktliberalen "Unabhängigen Griechen" ("Anel"), pochen gar auf massive Steuersenkungen für Unternehmen. Ihr Ziel: Investitionen nach Griechenland locken. "Wir wollen im Steuerwettbewerb mit Albanien oder Bulgarien konkurrenzfähig sein", so Anel-Chef Panos Kammenos.

Woher will das neue Athener Regierungsduo Tsipras/Kammenos dann vermehrt Steuern für den chronisch klammen hellenischen Fiskus eintreiben? Eine ergiebige Quelle könnten die reichen Reeder sein, meinen viele. Denn die griechische Handelsflotte ist die größte der Welt. Kein Wunder: Hunderte hellenische Schiffseigner freuen sich seit Jahrzehnten über stattliche 58 extra eigens für sie in der griechischen Verfassung verankerte Steuerbefreiungen.

Es geht um eine Menge Geld. Die Branche setzt jährlich rund 14 Milliarden Euro um. Die Steuereinnahmen: klägliche 25 Millionen Euro. Die Abschaffung der Steuerfreiheit und -privilegien für die griechischen Reeder steht bei Syriza aber nicht auf der Tagesordnung. Nur vage ist aus Syriza-Kreisen zu hören, das Kapital der Reeder müsse künftig höher besteuert werden.

Der Syriza-Partner Anel gerät in puncto griechische Reederei geradezu ins Schwärmen. Dass die griechischen Reeder die Weltmeere erobert hätten, sei "für ein kleines Land wie Griechenland" ein "maritimes Wunder", heißt es dazu im Anel-Regierungsprogramm. Anel fordert gar eine zusätzliche "Stärkung der Schiffsbranche". Von einer anvisierten Abschaffung der Steuerprivilegien fehlt im Anel-Programm jede Spur.

Bevorzugung offiziell tabu

Bliebe die Frage, ob die neue Athener Regierung unter dem vermeintlichen Oligarchenschreck Alexis Tsipras zumindest bei der Vergabe von Staatsaufträgen oder der Privatisierung von Staatsbesitz künftig genauer auf das viel gepriesene öffentliche Interesse, sprich: mehr auf den Steuerzahler beziehungsweise die Staatskassen, schaut.

Syriza verspricht, "den institutionellen Rahmen für die Vergabe der Staatsaufträge der europäischen Gesetzgebung anzupassen". Die traditionell praktizierte Bevorzugung einzelner regierungsfreundlicher Unternehmer sei für Syriza zudem Tabu.

Fest steht: Diesbezüglich kann in Griechenland eigentlich alles nur noch besser werden. Denn die gerade abgewählte Regierung der erklärten Spar- und Reformbefürworter unter dem konservativen Antonis Samaras hatte sich ausgerechnet in diesem neuralgischen Bereich keine Sporen verdient. Die größten Nutznießer in der Ära Samaras: die Superreichen Spiros Latsis, Dimitris Melissanidis und Ivan Savvidis.

Reicher durch die Krise

Die Latsis-Firma Lamda Development sicherte sich die langfristige Nutzung des weitläufigen Geländes im Athener Vorort Hellenikon, in Top-Lage am malerischen Saronischen Golf gelegen, für 915 Millionen Euro - für Experten ein Schleuderpreis.

Das ehemalige Internationale Fernseh- und Rundfunkzentrum (IBC) während Olympia 2004 fungiert mittlerweile als Einkaufszentrum für eine gehobene Kundschaft mit dem einprägsamen Namen Golden Hall. Seit 2007 wird es für ein Butterbrot vermietet - an Latsis‘ Firma Lamda Development.

Unmittelbar nach Samaras‘ Amtsübernahme wurde die schon zuvor lächerlich niedrige Miete für die glamouröse Golden Hall noch einmal um das Zehnfache gesenkt - auf nunmehr knapp einen halben Euro im Monat pro gemieteten Quadratmeter. Obendrein wurde der Mietzeitraum auf mehr als 90 Jahre verdoppelt. Der Einzige, der sich angesichts derart skandalöser Konditionen die Hände reibt: Milliardär Latsis.

Melissanidis‘ Coup wiederum: Er sicherte sich in einem griechisch-tschechischen Konsortium die Drittelbeteiligung an dem halbstaatlichen griechischen Sportwettenanbieter "Opap", einem der profitabelsten Unternehmen im Euro-Krisenland.

Überdies durfte Ivan Savvidis, ein Russisch sprechender Pontier-Grieche, das Nobel-Hotel "Makedonia Palace" in Thessaloniki betreiben. Ferner riss er sich die Tabakindustrie Sekap unter den Nagel.

Syriza will die Privatisierungen stoppen. Der neue Syriza-Vizeminister für Handelsschifffahrt, Theodoros Dritsas, verkündete schon vor seiner Vereidigung, die ursprünglich von Samaras und Co. anvisierte Privatisierung der Hafengesellschaft Piräus werde ad acta gelegt - und zwar sofort. Dritsas mit einem breiten Grinsen im Gesicht: "Der öffentliche Charakter des Hafen von Piräus bleibt erhalten."

Genau dies hatte schon seit Monaten der Krösus Evangelos Marinakis gefordert. Für Aufsehen hatte schon der Umstand gesorgt, dass sich Marinakis, omnipotenter Haupteigner von Griechenlands populärstem Fußball-Klub Olympiakos Piräus, im Vorfeld der Regional- und Kommunalwahlen im Mai vorigen Jahres mit der zur Syriza-Führungsriege gehörenden Politikerin Rena Dourou in einer Fischtaverne in Piräus getroffen hatte. Die "rote Rena" wurde nur wenige Tage später zur neuen Regionalchefin im Großraum Athen gewählt - und Marinakis‘ Intimus Moralis zum neuen Bürgermeister von Piräus. Feindschaften auf Griechisch. Lambsdorff darf weiter schmeicheln.