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Feine Ironie oder schlicht jenseitig?

Von Walter Hämmerle

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Österreich steht möglicherweise kurz vor einem großen Aufbegehren seiner Bürger. Findet zumindest der ORF. Reale Anzeichen dafür sind leider Fehlanzeige.


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Preisfrage ohne Preis: Was haben der Präsident der Arbeiterkammer, ein ehemaliger Vizekanzler, ein ehemaliger EU-Landwirtschaftskommissar, der Präsident des Gemeindebundes und eine Ex-Vorsitzende der Hochschülerschaft gemeinsam?

Einiges natürlich. Immerhin stammen Herbert Tumpel, Hannes Androsch, Franz Fischler, Helmut Mödlhammer und Barbara Blaha ausnahmslos aus dem ausschließlich rot-schwarzen Biotop, das Politik und Verbände dieser Republik seit ewigen Zeiten in eisernen Händen hält.

Um genau diese fünf zweifelsfrei höchst ehrenwerten Persönlichkeiten zu einer TV-Debatte über "das große Aufbegehren der Bürgergesellschaft" einzuladen, wie dies der ORF am Sonntagabend tat, muss man entweder über einen bemerkenswert feinen Sinn für Ironie oder aber ein völlig jenseitiges Verständnis von Bürgergesellschaft haben (vielleicht schreibt auch deshalb der ORF den Begriff unter Anführungszeichen).

Viel spricht leider für Letzteres, denn von einer ironischen Annäherung an die typisch österreichische Interpretation von Bürgergesellschaft war im Verlauf der Sendung nichts zu bemerken. Konsequenterweise hätte das Thema der Sendung daher lauten müssen: "Warum ist in Österreich

eine von den Parteien und Pflichtmitgliedschaftsverbänden unabhängige Bürgergesellschaft strukturell unmöglich?" Dazu hätten die geladenen Damen und Herren zweifellos einiges beitragen können. Umso bemerkenswerter die These der Polit-Beobachter vom Küniglberg, die glauben, einen "großen Aufstand der Bürgergesellschaft" konstatieren zu können.

Interessanter wäre es da schon, den Ursachen für dessen Ausbleiben auf den Grund zu gehen. Tatsächlich entlädt sich die Unzufriedenheit der sogenannten einfachen Bürger dieses Landes vorzugsweise in der einfachsten Variante: In schlechten Zensuren für die p.t. Regierenden. Das geht ohne großes eigenes Engagement, weil ohnehin die diversen Umfrageinstitute ständig auf der Suche nach Auskunftswilligen sind.

Jenseits derartiger rhetorischer Empörungsarbeit ist die politische Kultur der heimischen Bürgerschaft auf strikte, fast schon mönchische Enthaltsamkeit gepolt. Die hartnäckige Entmündigungsstrategie des österreichischen Verbändestaates und ihre Form der totalen Repräsentation bleibt eben nicht ohne Folgen.

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