Klage über Blindflug in Sachen Gemeindehaftungen.
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Wien. "Nach dem innerösterreichischen Stabilitätspakt wird die Reform des Finanzausgleichs begonnen. Es ist nämlich besser, solche Reformen zu machen, wenn es nicht ums Geld geht. Und da der Finanzausgleich noch bis 2014 läuft, ist dies eine gute Gelegenheit, ohne Druck eine Neuordnung zu verhandeln." Das erklärte Finanzministerin Maria Fekter bei einer Diskussion mit Gemeindevertretern im Finanzministerium. Von den Gemeinden erwartet sie dabei "mehr Transparenz". Es sei viel zu wenig aufgearbeitet, welche Haftungen auf Gemeindeebene schlummern. Fekter: "Wie riskant sind Gemeinden unterwegs. Auch Verbände haben keinen Überblick."
Wirkliches Match heißt Länder vs. Gemeinden
Mit eine Rolle bei dem Plan, den Finanzausgleich grundlegend zu reformieren, spielt auch die Überlegung, die Abhängigkeit der Gemeinden von den Ländern verringern. Allerdings ist das Verfassungskonstrukt zwischen Ländern und Gemeinden wenigstens so komplex wie das zwischen Bund und Ländern. Nur ein Bundesland hat den Finanzstrom zu den Gemeinden und die Kriterien dafür ordentlich und nachvollziehbar geregelt: Salzburg.
Das deutlich östlicher liegende Niederösterreich nimmt sich dagegen wie der "Wilde Westen" aus: Abseits des festgelegten Bevölkerungsschlüssels verteilt das ÖVP-dominierte Niederösterreich die Mittel - so der Vorwurf von SPÖ-Bürgermeistern - durchaus nach politischen Kriterien. Was sowohl Ingeborg Rinke, ÖVP-Bürgermeisterin von Krems, als auch ihrem SP-Kollege Bernhard Müller aus Wiener Neustadt gar nicht schmeckt: Niederösterreich, als einziges Flächen-Bundesland, nimmt einen sogenannten "Vorabzug" vor. Die vom Bund überwiesenen Anteile am Steuerkuchen werden nicht einfach auf die Gemeinden weiterverteilt, sondern die "Landes-Umlage" wird gleich abgezogen. Müller: "Der Landtag beschließt eine Maßnahme, die von den Gemeinden zu 50 Prozent zu tragen ist. Das Land zieht sich den Betrag ab, und wir in den Gemeinden haben dabei weder Mitspracherecht, noch können wir uns dagegen wehren."
Dabei geht es, so Verwaltungsforscher Peter Biwald, um durchaus namhafte Beträge: "Das zwischen den Ländern und Gemeinden bewegte Finanzvolumen liegt jährlich bei vier Milliarden Euro, da ist der Bund nicht involviert." Dieser Betrag macht immerhin (ohne Wien gerechnet) fast ein Viertel des Gesamtbudgets der 2356 Gemeinden Österreichs aus. Und - was auch Fekter bemängelt - hier herrscht laut Biwald babylonische Verwirrung: "Es gibt acht verschiedene Lösungen, aber dafür keinen einzigen Bericht über die tatsächlichen Finanztransfers." Diese fehlende Mitbestimmungsmöglichkeit müssen die Gemeinden allerdings mit ihrem Bundesland ausmachen. Der Bund möchte sich da nicht einmischen. Fekter: "Ich beteilige mich nicht am Länder-Bashing und mische mich da auch nicht ein." Dafür sieht sie bei den Gemeinde-Größen ein Problem. Die 2357 Gemeinden Österreich haben allesamt eine eigene Verwaltung, da die Gemeinde (etwa bei Bau-Angelegenheiten) zugleich auch Behörde ist.
Mangelnde Transparenz bei Förderungen
Was Fekter sehr wohl auf die Palme bringt: "Es gibt einen immensen Widerstand der Länder bei Übermittlung von Daten, die Förderungen betreffen." Bei diesen Förderungen orten Wirtschaftsexperten erhebliches Sparpotenzial. "Nicht jeder Verein, der damit am Leben gehalten wird, kann auch als nachhaltige Investition gelten", sagte Fekter bei der Veranstaltung von "public" und "Wiener Zeitung".
Sie nimmt damit einen Ball auf, der derzeit auch in der EU diskutiert wird: Die EU vergibt über die sogenannten Strukturfonds jährlich Milliarden an die Mitgliedsstaaten. Beim EU-Gipfel wird auch darüber beraten, wie die vorhandenen Mittel effizienter eingesetzt werden könnten. Dieses Problem hat auch Österreich mit seinem Föderalismus. Müller: "Wir brauchen eine neue Kompetenzverteilung und Organisation." Er spricht sich für "Gebietsgemeinden" aus, eine vom erfolglosen Österreich-Konvent ventilierte Idee, der auch Gemeindebund-Generalsekretär Walter Leiss einiges abgewinnen kann: Demnach würden kleine Gemeinden zu Verwaltungseinheiten zusammengehängt, alles andere aber wie Ortsname, Bürgermeister, Gemeindevertretung und Vereine behalten. "So wäre es möglich, einen Akademiker zum Amtsleiter zu machen, der auch weiß, was er tut", ergänzte Fekter, wissend, dass sie sich mit diesem Satz wenig Freunde macht. Die Reform zum Finanzausgleich scheint also recht spannend zu werden.