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"Feld wurde Demagogen überlassen"

Von Walter Hämmerle

Europaarchiv

Voggenhuber: SPÖ und ÖVP verweigern EU-Debatte. | "Kann zwischen linken und rechten Rülpsern nicht mehr unterscheiden." | Ratifikation durch Nationalrat am 9. April. | Wien. Johannes Voggenhuber hat spätestens seit der EU-Volksabstimmung Österreichs eine politische Lebensaufgabe: Mit dem überzeugenden Ja 1994 wandelte sich der Grüne Europasprecher vom überzeugten Beitrittsgegner zum glühenden EU-Befürworter. Seitdem wird Voggenhuber nicht müde, für eine Vision der Europäischen Union zu kämpfen.


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In den Augen Voggenhubers, und daran ließ er am Donnerstag in einer Pressekonferenz in Wien keinen Zweifel, ist der EU-Reformvertrag von Lissabon ein Meilenstein auf dem Weg zum Ziel einer demokratischeren und sozialeren Union. Dieser werte etwa das EU-Parlament zum gleichberechtigten Partner von Rat und Kommission auf, verankere soziale Grundrechte und unterwerfe die Europäische Zentralbank den politischen und sozialen Zielen der EU.

Angesichts dieser Tatsachen ist es für Voggenhuber umso unverständlicher, warum ausgerechnet linke Globalisierungskritiker und Intellektuelle den Reformvertrag von Lissabon vehement ablehnen. Und das noch dazu aus Sicht Voggenhubers zum überwiegenden Teil mit "völlig abstrusen Argumenten". So werde ohne jeden Bezug zur Realität von der Zerstörung Österreichs, dem weiteren neoliberalen Umbau und Militarisierung Europas "gefaselt", "dabei könnte die EU das einzige funktionierende Bollwerk gegen diese Entwicklungen sein".

Dies allerdings nur, wenn sich die Menschen an der Diskussion über Europa beteiligen würden. Dafür, dass sie dies in Österreich nicht tun, machte Voggenhuber am Donnerstag in harschen Worten die beiden Regierungsparteien hauptverantwortlich.

Die für 9. April geplante Ratifizierung des EU-Vertrags durch den Nationalrat hält Voggenhuber dabei noch für "ein legitimes Vorgehen", auch wenn er selbst eine EU-weite Volksabstimmung bevorzugt hätte. "Nicht legitim ist es jedoch, wenn diese Ratifizierung unter Verweigerung jeglicher öffentlicher Debatte stattfindet".

Auf diese Weise hätten SPÖ und ÖVP das Feld linken und rechten Demagogen sowie der "Kronen Zeitung" überlassen, die sich mit oftmals "abstrusen Argumenten" für eine Volksabstimmung einsetzen: Er selbst könne etwa schon längst nicht mehr zwischen rechten und linken Rülpsern unterscheiden. Besonders fatal finde er, dass ausgerechnet linke Kritiker der EU eine Ratifizierung durch das Parlament als weniger demokratisch bezeichnen als eine direktdemokratische per Volksabstimmung. Der repräsentative Parlamentarismus sei vielmehr die höchste Stufe der Demokratie.

Dass Argumente ohne erkennbaren Bezug zur Realität beim Thema EU in weiten Teilen der Bevölkerung Anklang finden, hat für Voggenhuber weniger politische als psychologische Gründe. "Weder der Fall des Eisernen Vorhangs noch der Beitritt zur EU ist in den Köpfen der Österreicher angekommen", die Menschen hierzulande würden stattdessen noch immer dem Mythos einer Insel der Seligen nachhängen. Und auch Helmut Qualtingers und Carl Merz legendärer Herr Karl sei in vielen Köpfen noch drinnen. Dieser dachte bekanntlich beim Sirenengeheul eines vorbeifahrenden Rettungswagens nur eines: "Karl, du bist es nicht."

Als Beispiel für diese Haltung bei vielen Bürgern und Politikern nennt der streitbare EU-Politiker die Erweiterung der Schengengrenze Ende 2007: "Statt die Öffnung der Grenzen zu feiern, hat Österreich das Militär in die betroffenen Regionen geschickt."