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IHS: Ausweichen in den Osten. | Wifo optimistisch. | Wien. In einem Punkt sind sich die Ökonomen einig: Der große Paukenschlag ist im Koalitionsprogramm von SPD und Union für die Wirtschaft ausgeblieben. "Ich kann nicht erkennen, dass es einen besonderen Impuls geben wird", meinte Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). "Damit geht kein Ruck durch Deutschland", urteilt der österreichische Ökonom und Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) Bernhard Felderer, und Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), sagt: "Das ist alles nicht spektakulär."
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Weniger einig ist man sich in der Frage, wie sehr sich die geplanten Maßnahmen (siehe Artikel unten) auf den Nachbarn Österreich auswirken werden. Denn nach wie vor ist Deutschland Österreichs wichtigster Handelspartner.
"Das alles wird keine Katastrophe", meint Felderer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Es wird uns nicht kaputt machen, dass die Reformen nach wie vor kein hohes Wachstum zulassen werden. Wir haben uns daran gewöhnt, dass Deutschland ein schwacher Partner ist." Österreich habe im Osten gut Fuß gefasst und viele Unternehmen werden laut Felderer auch künftig in die ehemals kommunistischen Staaten Zentral- und Osteuropas ausweichen. Besonders vernetzt ist Österreich mit der deutschen Autobranche, eine Krise würde Große wie VA Stahl oder Böhler-Uddeholm ebenso trefen wie Kleine. "Aber", beruhigt Felderer: "In anderen Bereichen exportieren wir ohnehin weltweit."
Jedes Zehntel zählt
Das sieht Aiginger anders: "Die Vernetzung mit Deutschland ist geringer geworden, aber noch immer groß", meint er. "Wir brauchen jedes zehntel Prozent an Wachstum in Deutschland, damit bei uns die Arbeitslosenrate sinkt." Sowohl Wifo als auch IHS reduzierten Anfang Oktober ihre Prognosen für heuer auf 1,7 Prozent (Wifo) und 1,8 Prozent (IHS) und für kommendes Jahr auf 1,8 bzw. 2,1 Prozent. Im allgemeinen gehen Wirtschaftsexperten davon aus, dass sich bei einem Wachstum von etwa 2,5 bis 3 Prozent die Situation am Arbeitsmarkt entspannt.
Ohne Europa schwierig
"Die Frage ist, ob es Deutschland mit dem Programm schaffen wird, aus der Wachstumsschwäche zu kommen", sagt Aiginger und fügt hinzu: "Man kann es nicht sagen." Das Programm allein reiche jedenfalls nicht, erklärt der Wifo-Leiter und nennt ein Beispiel: Ziehe die europäische Wirtschaft bis 2007 nicht an, habe die Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent negative Konsequenzen für den Konsum - und in Folge für den Arbeitsmarkt. Das wirke sich auf Österreich aus. Denn je mehr Deutsche ohne Arbeit sind, umso mehr würden sich auch in Österreich um einen Job umsehen.
Kritik kommt von Felderer: "Die Steuer hätte bestenfalls auf 18 Prozent angehoben werden dürfen." Er beurteilt auch die geplante Reichensteuer negativ: "Das ist eine Geste in die falsche Richtung. Jenen, die Arbeitsplätze schaffen, darf nicht noch eine höherer Steuer aufs Auge gedrückt werden."
Aiginger ist optimistisch: "Ich will die Hoffnung für Deutschland haben, dass nach dem gigantischen Wiedervereinigungswerk Chancen bestehen", sagt er. Nicht jede Idee, die sich als falsch herausstellen könnte, sollte bereits im Vorfeld als falsch gebrandmarkt werden. "SPD und Union haben eine mögliche Dosis erwischt - fast wichtiger als diese ist, dass die Deutschen glauben, dass sie wirkt."