Für Fernwehkranke war die indonesische Ferieninsel Bali bisher ein Traumziel - ein exotisches und friedliches Paradies. Bali ist die "Insel der Götter", so heißt es. Jahr für Jahr lockt die unvergleichlich schöne Tropenlandschaft tausende Besucher aus aller Welt an. Vulkane, üppige Wälder, unberührte Kraterseen, malerische Flüsse und Schluchten prägen das Bild. Das Idyll ist jäh zerstört worden. Ein blutiger Terroranschlag riss am Wochenende beinahe 200 Menschen in den Tod und versetzte die Urlauber in Schock.
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"Ich kann es mit nichts, was ich je gesehen habe, vergleichen", sagt ein australischer Tourist in Kuta Beach. Er war am Samstagabend Augenzeuge der Bombenexplosion vor dem beliebten Nachtclub "Sari". Ein verbrannter Körper nach dem anderen wurde aus dem Lokal gezogen. Der Nachtclub selbst, bisher vor allem bei Rucksack-Touristen beliebt, war nur mehr eine rauchende Ruine.
Ein weiterer Überlebender berichtet: "Ich habe brennende Menschen gesehen. Manche Leute haben andere getragen. Die meisten haben geblutet. Alles hat gebrannt. Es war ein Chaos. Alles war dunkel, bis auf die Flammen". Andere erzählen von Körpern ohne Arme und Beine, von fliehenden brennenden Gestalten. Viele sollen bei der Explosion enthauptet worden sein. Die Wucht der Detonation riss in nahe gelegenen Hotels die Gäste aus ihren Betten.
"Es hat mich hochgehoben. Alle Gebäude in der Umgebung sind einfach zusammengestützt, die Autos haben sich überschlagen, der Schutt der Häuser ist auf sie gefallen", sagt der 25-jährige Amerikaner Amos Libby, der zum Zeitpunkt der Explosion an der Bar vorbeiging. "Menschen, die ich vor zwei oder drei Tagen gesehen habe, werden nie mehr nach Hause fahren können. Ich habe noch nie etwas so Schreckliches gesehen. Da lagen so viele Leute, 18, 20 Jahre alt, in Stücken auf der Straße."
Bali galt als besonders sicher
Der Tourismus ist für Indonesien eine der wichtigsten Einkommensquellen. Das Land ist der bevölkerungsreichste muslimische Staat der Erde. Nach den Anschlägen vom 11. September in New York verließen viele ausländische Geschäftsleute Indonesien aus Angst vor Terror. Es gab bisher zwar einige Anschläge, davon waren aber nie Urlauber betroffen. Bali galt als besonders sicher.
Beobachter werfen der indonesischen Regierung vor, zu wenig für den Schutz der Touristen vorgesorgt zu haben. Indonesiens Nachbarländer fordern von Jakarta schon seit langem ein härteres Vorgehen gegen Mitglieder der südostasiatischen Gruppe Jemaah Islamiyah, die in der Region einen islamischen Staat aufbauen will. Singapur verlangt etwa die Festnahme des mutmaßlichen Führers der Gruppe, Abu Bakar Bashir, der in Indonesien lebt. Jakarta erklärte, nicht genug Beweise gegen ihn zu haben.
Nach Angaben der singapurischen Behörden steht Jemaah Islamiyah der Terrororganisation El Kaida nahe. Sie soll einen Anschlag auf die US-Botschaft und andere Ziele in Singapur geplant haben.
Bisher sah Indonesien jedoch keinen Anlass, gegen die Gruppe durchzugreifen. In der Vergangenheit haben die indonesischen Behörden immer wieder versichert, es gebe in dem Land keine Gruppen mit Verbindungen zur El Kaida. Nach der Bombenexplosion auf Bali will Jakarta den entstandenen Schaden begrenzen und verspricht, die Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken.
Als die Sonne am Tag nach dem Anschlag aufgeht, klebt noch immer Blut auf den Straßen des ehemals friedlichen Ferienortes Kuta Beach. Ein Bein liegt auf einem Dach. Eine verstümmelte Hand liegt auf dem Bürgersteig. Die Feriengäste fliehen in Scharen aus dem Tropenparadies, verzweifelt wollen sie die Insel mit dem erstbesten geeigneten Flugzeug verlassen. Auf dem Flughafen erklärt ein wartender britischer Urlauber: "Das ist das erste und das letzte Mal, das ich nach Bali gekommen bin".