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Präsident Hu Jintao verliert einen seiner engsten Vertrauten.
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Peking. Kurz vor dem Parteitag im Herbst, in dessen Rahmen der Wechsel an der politischen Spitze vollzogen werden soll, kommt die chinesische Führung nicht zur Ruhe. Nach dem Sturz von Bo Xilai, dem früheren Parteichef von Chongqing, erschüttert nun ein weiterer Skandal das innerste Machtzentrum der Kommunistischen Partei Chinas, in dessen Zentrum ein enger Vertrauter von Präsident Hu Jintao steht. Staatlichen Medienberichten zufolge wurde Ling Jihua als Chef im Sekretariat des mächtigen Politbüros entlassen und auf einen niedrigeren Posten versetzt. Grund dafür ist ein Vorfall, der bereits im Frühjahr passierte, bis jetzt jedoch offensichtlich vertuscht wurde.
Am 18. März 2012 meldete ein Beitrag der ABC News einen Unfall, der sich auf der vierten Ringstraße von Peking in der Nähe des Baofu Tempels ereignet hatte: "Ein schwarzer Ferrari 458, eine verschneite Nacht in Peking, ein Unfall mit Todesopfer." Der Aufprall an einer Brücke war so heftig, dass das Fahrzeug förmlich zerrissen wurde. Der Fahrer, ein junger Mann, starb im Unglücksfahrzeug, das eigentlich nur für zwei Passagiere ausgelegt wäre. Mit an Bord waren jedoch noch zwei weitere Begleiterinnen, die ebenfalls schwer verletzt wurden. Bei den zwei spärlich bekleideten Damen würde es sich laut der Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" um eine Uigurin und eine Tibeterin handeln, die in Peking studiert hätten. Eine von ihnen ist seit dem Unfall gelähmt.
Was die Medien zu jenem Zeitpunkt jedoch nicht wussten - und offensichtlich nie hätten wissen sollen - war die Identität des Unglückslenkers. Wie nun auf Umwegen an das Licht der Öffentlichkeit gedrungen ist, war der Todesfahrer Ling Gu, der Sohn des KPCh Stabschefs Ling Jihua. Die South China Morning Post schreibt in ihrer Ausgabe vom Montag weiter, es sei "ein ausgeklügelter Plan entworfen worden, um die wahre Identität des jungen Mannes zu verschleiern. Der Name, der letztendlich auf dem Totenschein stand, war gefälscht." Auf dem Dokument stand angeblich der Name "Jia", was genauso ausgesprochen wird wie das chinesische Wort "Fälschung". Tatsächlich hatte der Unfall in der chinesischen Öffentlichkeit bereits im März für Aufsehen gesorgt, als eine Zeitung über Zensur rund um das Ereignis berichtete.
Ausgerechnet die Parteizeitung "Global Times" meldete damals, Informationen über den Unfall seien im Internet gelöscht worden. Inzwischen sind sämtliche Blog-Einträge über den Unfall verschwunden, Suchanfragen mit dem Wort "Ferrari" werden blockiert. Nicht zum ersten Mal übrigens. Als bekannt wurde, dass Bo Xilais Sohn Guagua bevorzugterweise mit einem Ferrari durch die Straßen rollt, wurde der Suchbegriff ebenfalls gesperrt. Pikanterweise ereignete sich der Unfall von Ling Gu nur wenige Tage, nachdem die Bombe rund um Bo geplatzt war.
Präsident geschwächt
Ling Jihua, Direktor des Generalbüros des Zentralkomitees, hatte offensichtlich alles versucht, um den Unfall seines Sohnes zu vertuschen. Doch es war nicht mehr zu halten: Am 6. August deutete das Parteiorgan "Volkszeitung" bereits kryptisch an, dass etwas im Busch sei, als sich die Parteispitze zu informellen Beratungen im Badeort Beidaihe traf. Die Sache war der Führung zu heikel geworden: Ling wird nun auf den Posten des Leiters der Abteilung "United Front Work Department" weggelobt, ein bedeutungsloses Amt, das sich hauptsächlich um die Beziehungen zwischen der KPCh und der Elite aus Wirtschaft und Wissenschaft kümmert. Zuvor war noch über einen Aufstieg in das Politbüro spekuliert worden, dem eigentlichen Machtgremium des Landes.
An Lings Stelle rückt nun der 62-Jahre alte Li Zhanshu, der zuvor Parteichef der südwestchinesischen Provinz Guizhou gewesen war. Er gilt als enger Vertrauter des designierten Staatspräsidenten Xi Jingping. Für Noch-Präsident Hu Jintao bedeutet die Degradierung seines Verbündeten Ling Jihua eine Schwächung über das Ende seiner Amtszeit hinaus. Der 55-Jährige galt in seiner Funktion als Berater des chinesischen Präsidenten als einer der mächtigsten Strippenzieher der Kommunistischen Partei.
Der Vorfall fällt in eine politisch heikle Zeit, in der das Vertrauen vieler Chinesen durch diverse Skandale ohnehin als erschüttert gilt. Berichte über den luxuriösen Lebensstil vieler Funktionäre und vor allem deren Kinder haben bereits in der Vergangenheit für Unmut gesorgt. "Die Bevölkerung wird sich fragen, wie Ling Gu sich einen 5 Millionen Yuan (620.000 Euro) teuren Luxusportwagen überhaupt leisten konnte", schreibt die South China Morning Post über die politischen Konsequenzen dieses Unfalls. "So eine Nachricht bestätigt nur, was sich die meisten ohnehin schon denken - dass die Kinder hoher Beamter einen dekadenten Lebensstil jenseits der kühnsten Träume des Volkes führen." Wobei Letzteres mittlerweile einiges gewohnt ist. Zuletzt wurde das Netz aus politischen Intrigen sichtbar, als GuKailai - die Ehefrau des gestürzten Bo Xilai - wegen Mordes am britischen Geschäftsmann Neil Heywood zum Tode verurteilt wurde.