Rückschritte bei der demokratischen Entwicklung in Russland kritisierte die designierte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner. In Brüssel plädierte sie gestern für einen "offenen, freimütigen und harten Dialog unter gleichberechtigten Partnern" mit Moskau. Der künftige EU-Justizkommissar Rocco Buttiglione wiederum forderte die Schaffung von Möglichkeiten zur legalen Einwanderung nach Europa.
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Sprachgewandt präsentierte sie sich vor dem Europäischen Parlament. Ihre Rede hielt Benita Ferrero-Waldner, designierte EU-Kommissarin für Außenbeziehungen und europäische Nachbarschaftspolitik, auf deutsch, französisch, englisch und spanisch. "Wir sind der größte Handelsblock der Welt, der größte Geber von humanitärer und Entwicklungshilfe", betonte sie gestern bei ihrer Anhörung. Doch den entsprechenden Stellenwert in der gemeinsamen Außenpolitik habe die EU noch nicht erreicht.
Nicht zuletzt deswegen plädierte Ferrero-Waldner für einen "offenen und harten Dialog" mit Moskau. Denn Russlands "Rückschritte im Bereich der Demokratie müssen wir sehr ernst nehmen", erklärte sie: "Wir müssen Unruhe und Besorgnis ausdrücken." Russland dürfe bei der Terrorismusbekämpfung die Menschenrechte nicht verletzen. Gleichzeitig warnte Ferrero-Waldner davor, sich durch eine festgefahrene Position zu isolieren.
Im Nahost-Konflikt sprach sich die designierte Kommissarin für die Einhaltung des Friedensfahrplans von EU, USA, Russland und UNO aus. Der vom israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon forcierte Abzug aus dem Gaza-Streifen habe "nur einen Wert, wenn er Teil der Roadmap ist".
Fragen zur Türkei konnte Ferrero-Waldner ausweichen: Immerhin werde der Bericht der EU-Kommission erst am Mittwoch präsentiert. Doch kommende Erweiterungsrunden kamen ebenfalls zur Sprache: So sei für eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine laut der Außenministerin "die Tür offen". Offen zeigte sich Ferrero-Waldner auch für den Plan, beim langfristigen EU-Budget die Ausgaben zu erhöhen.
Positive Reaktionen erntete die künftige Kommissarin von österreichischer Seite. "Benita Ferrero-Waldner ist nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich absolut souverän", verkündete Bundeskanzler Wolfgang Schüssel via Aussendung. Auch beim SPÖ-Europaabgeordneten Hannes Swoboda hat Ferrero-Waldner einen "positiven Eindruck hinterlassen". Zurückhaltender gab sich der grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber: Inhaltlich habe sich die Außenministerin "nicht sehr profiliert".
Anlaufstellen in Nordafrika
Nach der Anhörung Ferrero-Waldners stellte sich der designierte Kommissar für Justiz, Freiheit und Sicherheit, Rocco Buttiglione, den Fragen der EU-ParlamentarierInnen. Er plädierte für die Möglichkeit legaler Immigration in die Union. "Die illegale Einwanderung muss ersetzt werden durch legale Einwanderung", stellte er fest.
Gleichzeitig verteidigte Buttiglione aber die Forderungen nach Anlaufstellen für Flüchtlinge in Nordafrika. Es gehe dabei um Zentren für humanitäre Hilfe. "Ich habe niemals Konzentrationslager vorgeschlagen, um Asylbewerber aus Europa dorthin zu bringen", sagte der künftige Justizkommissar. Lager gebe es bereits in der Region, betrieben von den dortigen Behörden. "Wir wollen, dass die Menschen diese Lager verlassen können."
Was nicht Thema bei der Anhörung war, teilte Buttiglione danach Journalisten mit: Er habe seinen Rücktritt vom Amt des Europaministers in der italienischen Regierung eingereicht. Wer indes Ferrero-Waldners Nachfolger oder Nachfolgerin im österreichischen Außenamt wird, ist noch immer unklar.