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Golpa hatte Pech. Die kleine Ortschaft lag auf einem Braunkohle-Lager und wurde 1940 einfach "übergebaggert". In den 60er Jahren begann der Tagebau, der 1991 abrupt beendet wurde.
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Golpa-Nord, so nannte die DDR die Abbaustätte, war jahrzehntelang ein Ort entfesselter Industriekräfte und Umweltsünden. In den 70er Jahren musste auch die Ortschaft Gremmin dem Bergbau weichen, die Einwohner wurden umgesiedelt. Der Energieverbrauch wurde immer monströser. Immer riesigere Maschinen verwandelten Gottes schöne Natur nahe der Elbe in eine öde Kraterlandschaft. In den 50ern verschmolzen die verstreuten Reviere zu einem Ganzen, der Abbau erreichte gewaltige Ausmaße. Ergebnis: Tiefe Löcher in hässlicher Industriebrache.
Doch mit der Wiedervereinigung Deutschlands hatte die Braunkohle aus Sachsen-Anhalt, die 60.000 Bergleuten Arbeit sicherte, keine Zukunft mehr. Die Region stand mit einem Schlag vor der Frage: Resignieren oder Neues denken?
Im Zusammenhang mit der Expo entstand im Dessauer Bauhaus die Idee, die geschundenen Brachlandschaften zu renaturieren und zu einem großen Erholungsgebiet umzugestalten. Was die Grube Golpa-Nord betraf, wollte man die Industriekolosse, die gigantischen Bagger und Absetzer, der Nachwelt erhalten. Durch Flutung mit dem Wasser des nahen Mulde-Flusses entstanden große Seen, etwa der Gremminer See, der seinen Namen der 1970 verschwundenen Ortschaft Gremmin verdankt. Auf einer Halbinsel dieses Sees wollte man die Tagebaugroßgeräte zur Besichtigung gruppieren. Doch zunächst mussten sie erst einmal saniert werden, weil sie sonst dem Rost zum Opfer gefallen wären. Dann begann man mit dem Ausbau der Infrastruktur: Die zweieinhalb Kilometer lange Insel-Straße wird saniert, verbreitert und erhält einen separaten Fußweg, Parkplätze werden geschaffen, die sanitären Anlagen erweitert.
Technik-Fans können hier zum Beispiel den "Mosquito" bestaunen, einen sogenannten Raupensäulenschwenkbagger mit einer Länge von fast 68 Metern. Er wurde bereits 1941 gebaut und ist mit seinen nunmehr 69 Jahren heute noch voll funktionsfähig. Der schwerste und gewaltigste unter den fünf Baggern heißt "Gemini" und besteht mit Aufnahme- und Abwurfgerät aus zwei Hauptteilen. Er ist sogar 30 Meter hoch und 125 Meter lang. Das "Big Wheel" überbietet den Koloss noch einmal um einen Meter in der Höhe, ist aber das Küken unter den Großmaschinen, 1984 gebaut. Am östlichen Rand der Halbinsel situiert, wirkt es bei Nacht fast wie ein Leuchtturm.
"Mad Max" mit seinen 40 riesigen Eimern, die an Ketten fast 2000 Kubikmeter Erde pro Stunde bewegen konnten, und die schwergewichtige "Medusa" mit ihren Kran-Armen runden das Freilichtmuseum ab.
Das Areal erfreut sich jedoch nicht nur bei Technikfreaks zunehmender Beliebtheit, sondern wird auch als Veranstaltungsort und Location für Pop- und Rock-Events genutzt.
Begeistert schrieb Sarah Phillips vom Londoner "Guardian": "Ich war von den Socken! Die Kräne sind furchterregend schön, in den Himmel aufragend wie gotische Spitztürme. Wenn es dunkel wird, werden sie mit üppigem Licht bestrahlt und wirken so gefährlich wie anziehend, wie Achterbahnen auf dem Rummel."
Auch dieser Tage findet wieder eine Mega-Party auf dem Gelände statt: Bis einschließlich Sonntag kann man durchtanzen zur Musik von Magda, Proxy!, D.I.M., Andrè Galuzzi, Dominik Eulberg, Oliver Koletzki, Tobi Neumann, Malente, Super Flu und anderen.
So wird der totgeglaubte Ort mit neuem Leben erfüllt. Das bezeugen erste Ansiedlungen kleiner Unternehmen ebenso wie zahlreiche neue Projekte: schwimmende Häuser etwa oder gleich ein ganzes Freizeitdorf, mit Strom versorgt vom längsten Solarkraftwerk Europas.