)
Es werde ein "Scheiß-Jahr" werden, lautete vor exakt zwölf Monaten die unmissverständliche Einschätzung der Wirtschaftslage 2010 durch ein Mitglied der ehrenwerten königlich-schwedischen Reichsregierung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Jetzt, Anfang 2011, steht fest: So ein "Scheiß-Jahr" hätte man gerne selber einmal. Um 6,9 Prozent ist Schwedens Wirtschaft im dritten Quartal gewachsen, damit ist dem Land der Titel des Wachstumsmeisters in Europa nicht mehr zu nehmen; nicht einmal das deutsche Wirtschaftswunderland schaffte das.
Wie geht das? Die meisten Ökonomen sind sich in der Diagnose einig: Zentrale, wenn auch nicht alleinige Ursache des schwedischen Erfolges ist die Tatsache, dass das nordische Königreich mit grundsoliden Staatsfinanzen in die Strudel der globalen Finanzkrise geriet. 2008 betrugen die Staatsschulden erstaunliche 38 Prozent des Bruttosozialprodukts, etwas mehr als die Hälfte des noch immer leidlich erträglichen österreichischen Wertes.
Das ermöglichte Schweden, relativ viel Geld für Steuersenkungen in die Hand zu nehmen, um die Konjunktur anzukurbeln. Das kleine Wirtschaftswunder verdanken die Schweden freilich nicht der Klugheit ihrer politischen Klasse, sondern deren gebundenen Händen. Denn in Schweden ist die Regierung, wie in der Schweiz, gesetzlich dazu verpflichtet, über den Konjunkturzyklus einen Budgetüberschuss zu erwirtschaften. Das funktioniert in beiden Staaten, die es so handhaben - auch Deutschland hat schon eine vergleichbare Regelung beschlossen - ganz prächtig.
Ganz offensichtlich darf man Politiker nicht der Versuchung aussetzen, ungestraft Schuldengebirge aufzutürmen, unter denen die nächste Generation dann zusammenbricht. Es ist kein besonders gutes Zeugnis für die Demokratie, dass man offenbar demokratisch Regierenden die Hände binden muss, um zu verhindern, dass sie den Staat in den Ruin wirtschaften; aber Fakten verschwinden nicht, indem man wegschaut.
Der schwedisch-schweizerische Weg wäre wohl auch ein Ausweg im für die EU existenziellen Streit um die künftige Staatsfinanzierung innerhalb der Union. Potenzielle Geberländer wie Deutschland oder Österreich fürchten ja völlig zu Recht, gemeinsame Anleihen aller Euroländer (Eurobonds) wären ein Anreiz für die ökonomischen Filous im Süden, sofort wieder dem alten Schulden-Schlendrian zu verfallen.
Dagegen kann eine europaweite Schuldenbremse, die sowohl auf nationaler wie auf EU-Ebene erzwingt, dass über einen Konjunkturzyklus Budgetüberschüsse erwirtschaftet werden müssen, vermutlich ein ganz brauchbares Instrument sein. Wichtig ist dabei freilich, dass die entsprechenden Regeln nicht folgenloses Absichts-Blabla nach Art des Euro-Stabilitätspaktes sind, sondern einklagbares Recht, auf dessen Bruch sich die Politik nicht einfach nonchalant verständigen kann (ein paar Strafrechtsparagrafen bezüglich "Budgetbetrug" wären da sicher hilfreich). Die jüngere Vergangenheit zeigt: Der Euro ist zu wichtig, als dass man ihn kurzfristigen Interessen der Politiker überlassen dürfte.