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Fest für gescheiterten Visionär

Von Jean-Marc Mojon

Politik

Die Gästeliste ist lang und bunt: Bill Clinton und Michail Gorbatschow haben ihr Kommen ebenso zugesagt wie der frühere südafrikanische Präsident Frederik De Klerk, Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Johannes Rau aus Deutschland, eine Reihe europäischer Außenminister, der Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel und das Topmodell Naomi Campbell. Aus Österreich reist der zweite Nationalratspräsident Heinz Fischer an. Die Liste zeigt, wie sehr Shimon Peres, der große alte Mann der israelischen Politik, nach wie vor im Ausland geschätzt wird.


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In seiner Heimat dagegen stoßen die zweitägigen Feiern zu seinem 80. Geburtstag, die gestern begonnen haben, auf bittere Kommentare. Das zeigt wiederum, auf wie wenig Gegenliebe Peres im eigenen Land stößt. Zehn Jahre nach Oslo und drei Jahre nach Beginn der zweiten Intifada liegt das Lebenswerk des "ewigen Verlierers" in Scherben, und es sieht nicht so aus, als könnte er sie nochmal kitten.

Peres zählt zu den letzten aktiven Vertretern jener Generation, die in jungen Jahren an der Seite der Gründer begann, den Staat Israel aufzubauen. Dass aber ausgerechnet er sich zwei Tage lang feiern lässt, während sein Land in Gewalt und Wirtschaftsmisere versinkt, stößt viele Israelis ab. Zu ihrem Sprachrohr machte sich jüngst die auflagenstarke Zeitung "Yediot Aharonot", die die Feiern wie zahlreiche andere Kommentatoren auch als geschmacklos abtat: "Ihr Werk und das der Gründer des israelischen Staats ertrinkt im Meer, und Sie denken, das sei ein Freudentag? Warten Sie, bis sie 90 werden", zeigte sich das Blatt in wenig festlicher Stimmung.

Zehn Jahre ist es her, dass sich Peres mit dem Abschluss der Friedensverträge von Oslo auf dem Höhepunkt seiner Karriere als "Visionär des Neuen Nahen Ostens" wähnte. Vor drei Jahren dann begann die Al-Aksa-Intifada, der zweite und weitaus blutigere Aufstand der Palästinenser. Seitdem schraubt sich die Gewaltspirale immer höher, scheint der Frieden zwischen Israel und den Palästinensern weiter entfernt zu sein als je zuvor. Peres' Arbeiterpartei, die er nur noch übergangsweise leitet, liegt ein Jahr nach ihrem Ausstieg aus der Koalitionsregierung mit dem ultrakonservativen Likud am Boden.

Der am 16. August 1923 im polnischen Wischnewa geborene Peres kam mit elf Jahren ins damalige britische Mandatsgebiet Palästina. Unter seinem Förderer David Ben Gurion wurde er mit 29 Jahren Generaldirektor im Verteidigungsministerium. Peres ist Vater des umstrittenen geheimen Atomprogramms seines Landes und einer der ersten, der die Besiedelungspolitik in den Palästinensergebieten vorantrieb. Lange Zeit galt er als Vertreter einer harten Linie gegenüber den Palästinensern.

Seine Wandlung zur Friedenstaube nehmen ihm zahlreiche Israelis bis heute übel, sie sehen darin nur einen Beweis für seine Fähigkeit als Wendehals.