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Auf Urlauben ist stets die Kamera dabei - vom Eiffelturm bis zu den Pyramiden wird alles festgehalten. Doch zuhause können die entstandenen Fotos meist nicht mit den wunderschönen Erlebnissen mithalten. Von Reisefotografen, die für ihre Reportagen um die ganze Welt reisen, kann man sich dabei einiges abschauen. Der Weg zum guten Foto hat mehr mit Licht und Geduld zu tun als mit teurer Profiausrüstung.
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Ayers Rock bei Sonnenuntergang, bunt gekleidete Menschen in den Straßen von Neu Delhi, ein Straßenkünstler in Paris - wer auf Reisen geht, will seine Eindrücke auch festhalten. Für die eigene Erinnerung und für die Daheimgebliebenen. Jahrhundertelang gaben reisende Maler ihr idealisiertes Bild von Landschaften und Bauwerken wieder, mit der Erfindung der Fotografie Mitte des 19. Jahrhunderts konnte bei Expeditionen plötzlich die Realität festgehalten werden: Pflanzen, Tiere, Menschen in fremden Ländern, detailgenau und vervielfältigbar. Die frühen Fotoapparate waren allerdings mehr als unhandlich, die schweren fotografischen Platten mussten sofort belichtet und entwickelt werden. Um ein Foto zu erhalten, musste arrangiert und gewartet werden - Spontaneität sieht anders aus. Je kleiner und einfacher Kameras wurden, umso schneller wurde aus der Reisefotografie ein Massenphänomen, das den aufkommenden Massentourismus begleitete. Heute kann jeder - ohne Beschwerlichkeit - seine Reiseeindrücke festhalten, von der Großmutter bis zum Kleinkind, mit der Digitalkamera oder mit dem Mobiltelefon, man kann die Bilder entwickeln, an Freunde mailen oder für später abspeichern.
Seit dem Siegeszug der Digitalfotografie wird am laufenden Band geknipst - Onkel Herbert vor dem Kolosseum, Tante Martha vor dem Louvre, die ganze Familie vor dem Big Ben. Wer dann mit hunderten Fotos vom Urlaub zurückkehrt, wird merken: Viele Fotos bedeuten nicht unbedingt gute Bilder von der Reise. Im Gegenteil: Die besseren Fotos bringen meist jene nach Hause, die sich Zeit zum Schauen und Erleben nehmen - und dann eben im richtigen Moment abdrücken. Das richtige Fotomaterial, die Profikamera sind dabei weit weniger wichtig als Zeit, ein waches Auge und das richtige Licht. In der Mittagshitze wird selbst der beste Fotograf kein sehr gutes Bild zustande bringen, da zahlt es sich schon aus, auf die weichere Abendstimmung oder die Morgendämmerung zu warten.
Die Fähigkeit zu warten ist das Um und Auf für einen Reisefotografen, erklärt auch Franz Soukup: "Ich mache oft nur ein Bild am Tag. Ich warte, bis das Licht passt. Das sind keine Spontanfotos." Einmal habe er 28 Stunden gewartet, bis der Nebel am Wilden Kaiser vorbeigezogen war und die Bahn frei für sein Foto, erzählt der Profifotograf. Was er Amateuren für ihre Reisen rät? "Man braucht Geduld, aber auch Glück", meint er: "Es gibt keine Garantie für das perfekte Bild: Man muss nur das Licht verstehen. Material und Pixel - das ist alles Blödsinn. Manchmal ist es egal, ob ich eine gute oder eine schlechte Kamera habe - man muss sie nur in die richtige Richtung halten." Seine Fotoreisen führen ihn "überall hin, wo keine Leute sind" - in die Wüsten, nicht in die Städte: "Mein Lieblingsplatz ist das Colorado-Plateau, ein richtiges Eldorado für Fotografen."
Neben dem Warten können sich Hobbyfotografen auch andere Fähigkeiten von Profis abschauen: ein waches und offenes Auge etwa. Die guten und überraschenden Motive finden sich meist nicht auf den ausgetretenen Touristenpfaden. Wer auf Reisen gute Fotos sucht, sollte in verwunschene Gässchen und verlassene Hinterhöfe schauen, Berge besteigen oder einfach einmal den Blick schweifen lassen: Eine alte Russin im Pelzmantel und Fellmütze, die sich vor Kälte in die Hände bläst, während sie über den Roten Platz geht - das gibt vielleicht dem klassischen Moskauer Touristenmotiv das Besondere. Robert Caputo, Fotograf für das "National Geographic Magazin", gibt in seinem Ratgeber "Reisefotografie" den Tipp, zuerst ein Gefühl für einen Ort zu bekommen: Über sein Reiseziel zu recherchieren, Lebensarten und Bräuche zu erforschen, die unbekannteren Sehenswürdigkeiten ausfindig zu machen. Was man schon weiß, fällt einem vor Ort auch auf. Er rät aber auch: "Verlaufen Sie sich. Schlendern Sie durch Gassen. Setzen Sie sich in Cafés und lassen das Leben vorbeiziehen. Wandern Sie einfach eine Straße entlang und lassen Sie sich überraschen, wohin sie führt." Das Wichtigste dabei natürlich: Immer die schussbereite Kamera dabeizuhaben - mit vollem Akku und leerer Speicherkarte. Und wenn man erst mühsam das Objektiv aufschrauben muss, kann die Chance zum guten Foto bereits vorbei sein. Wenn man alles parat hat, heißt es nur mehr: Augen öffnen. Caputo rät, nicht von einer Sehenswürdigkeit zur anderen zu hetzen, sondern an wenigen, maximal zwei pro Tag, zu verweilen. Dann kann man mit Perspektiven aus Nahe und Fern experimentieren, interessante Details des Ortes erkunden - und schließlich ein Gefühl des Ortes mit nach Hause bringen und nicht bloß ein Touristenfoto.
Licht & Wetter. Und immer wieder geht es um das Licht: Am besten geht man in der Morgendämmerung oder bei Sonnenuntergang auf Fotojagd, das Licht der Mittagssonne sollte auf jeden Fall gemieden werden. Mit den verschiedenen Lichtstimmungen kann wunderbar experimentiert werden. "Nur weniges stimmt einen froher als zu beobachten, wie ein kleiner Teil der Welt mit dem wechselnden Licht des Tages seinen Charakter verändert", meint die Reisefotografin Sarah Leen. Sie fotografiert ebenfalls für "National Geographic "und begann ihre Karriere 1988 mit einer großen Reportage über die Grenze zwischen den USA und Kanada. Leen schläft sogar im Auto, um das besondere Morgenlicht nicht zu verpassen. Außerdem rät sie, immer gutes Schuhwerk zu tragen: "Sie ärgern sich, wenn Sie nicht überall hinkommen", denn manchmal wartet das perfekte Foto eben auf einem Felsvorsprung. Aber auch ein paar Brocken der Landessprache, Respekt vor den Gepflogenheiten und ausreichend Wasser seien wichtig auf einem Fototrip.
Auch das Wetter spielt eine immense Rolle für das Gelingen guter Reisefotos. Aber analog zum Spruch "Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung" können auch widrige Wetterbedingungen Fotografen nicht von guten Bildern abhalten. Regentropfen oder Schneeflocken machen ein Foto möglicherweise erst richtig interessant. Regennasse Straßen sind ein wunderbares Motiv, weil sich alle Lichter einer Stadt in den Pfützen spiegeln - wer mit diesem Effekt spielt, kann spannende Ergebnisse erzielen. Auch Bäume, die sich im Sturm biegen, darüber ein dunkelschwarzer Wolkenhimmel kurz vor dem Gewitter, haben eine andere Dynamik als ein Wald im hellen Frühlingslicht. Auch hier gilt es mit den Gegebenheiten zu spielen - Robert Caputo rät wieder zur Geheimwaffe Geduld: "Wenn Sie längere Zeit an einem Ort bleiben, überlegen Sie, welches Wetter die Stimmung, die Sie einfangen wollen, am besten unterstreicht, und warten Sie so lange, bis es eintrifft." Als Trocken-übung zuhause kann man auch den Park vor der Türe oder den Eichenbaum im Garten durch die Jahreszeiten und Wetterlagen immer wieder fotografieren und auf diese Weise erforschen, wie sich Stimmungen durch Licht und Wetter verändern.
Das Motiv. Das Herausfordernde an der Reisefotografie sind auch seine wechselnden Motive - einmal fotografiert man die Landschaften, dann Stadtszenen oder Monumente, später wieder Porträtaufnahmen von Mitreisenden. Bei Landschaften und Stadtszenen sollte man sich immer die Zeit nehmen, das Einzigartige daran herauszuarbeiten - ob es die schillernden Farben beim Indian Summer sind oder das gelbe Taxi in New York. Ein Betrachter sollte sich auf dem Foto schnell zurechtfinden können - und klassische Merkmale einer Stadt oder einer Landschaft zuordnen können. Durch Menschen werden die Fotos dann erst richtig lebendig - es ist allerdings ratsam, den Straßenhändler oder den alten Mann in der griechischen Taverne erst um Erlaubnis zu fragen, ob man ihn ablichten darf.
Bei Denkmälern, die schon tausende Male fotografiert wurden, lohnt es sich, einen etwas anderen Blick darauf zu werfen - durch eine ungewöhnliche Perspektive, ein skurriles Detail, einen vorübergehender Menschen. Und dann will man natürlich trotzdem Fotos von Onkel Herbert und Tante Marta mit nach Hause bringen - das endet meist mit statischen Aufnahmen vor Sehenswürdigkeiten oder aber mit Porträts, die genauso gut zuhause aufgenommen sein können, weil sie nichts vom Rundherum zeigen. Es ist schade, ein schönes Porträt zu haben, auf dem nichts darauf hindeutet, dass es am anderen Ende der Welt aufgenommen wurde. Die Umgebung sollte also eingebunden werden, die Menschen beleben außerdem die Reiseaufnahmen. Der Freund im französischen Bistro, die kleine Tochter, die vor den ägyptischen Pyramiden wie eine Stecknadel aussieht, oder die Schwester, die auf dem Basar um Preise feilscht - die Menschen, die einen auf Reisen begleiten, erzählen manchmal die schönsten Geschichten.
Buchtipp: Der große National
Geographic Fotoratgeber:
Reisefotografie von Robert Caputo,
ISBN: 9783937 606156, 13,40 Euro