Preßburg - Die Festnahme Meciars hat die | Slowakei in schwere innenpolitische Turbulenzen gestürzt. Die Begründung für das gewaltsame Einschreiten der Polizei am Donnerstag wird allgemein in Zweifel gezogen.
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Meciar wird wegen der Auszahlung von Prämien an die Mitglieder seiner Regierungen von 1993 bis 1994 und 1995 bis 1998 in der Gesamthöhe von 13,815 Millionen Kronen (332.091 Euro/4,57 Mill. S) Amtsmissbrauch vorgeworfen.
Tatsächlich erlaubt die Gehaltsordnung der slowakischen Regierung keine Prämienzahlungen. Doch haben bisher alle Regierungschefs ihre Minister mit Sonderzahlungen für ihre Leistungen belohnt. Selbst der gegenwärtige Ministerpräsident Mikulas Dzurinda zahlte seinen Ministern heuer zu Jahresbeginn eine Prämie. Als sich daraufhin ein Sturm der Entrüstung in der Öffentlichkeit erhob, ließ Dzurinda die Gehaltsordnung noch einmal von Juristen überprüfen. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Prämienzahlung nicht legal ist.
Dabei handelte es sich um Summen von rund 100.000 Kronen. Das eine an sich genommen eigentlich eine Lappalie. Der wahre Sachverhalt ist jedoch, dass der Privatisierungsprozess in der Slowakei an den Grenzen der Legalität abgewickelt wurde.
Das bedeutet, dass es heute praktisch unmöglich ist, die Entscheidungen der Ära Meciar zu korrigieren. Nach 18 Monaten Ermittlungen wurden noch immer keine überzeugenden, rechtlich einwandfreien Beweise für illegale Machenschaften bei der Privatisierung unter der früheren Regierung vorgelegt. Vom moralischen und politischen Standpunkt aus gesehen liegen die Dinge klar, doch die juristischen Beweise zu erbringen, ist bisher niemandem gelungen.
Ähnliche ist die Lage im Fall der Entführung des Präsidentensohns Michal Kovac jr. Hier wird die rechtliche Aufarbeitung und eventuelle Ahndung der damaligen Ereignisse durch Amnestieregelungen praktisch verunmöglicht, die Meciar 1998 in den letzten Monaten seiner Amtszeit erließ. Gegen die Erwartungen der jetzigen Regierung bestätigte das Verfassungsgericht diese Amnestien, womit der Handlungsspielraum der Justiz wesentlich beschränkt wird.
Die vorübergehende Festnahme Meciars musste aber auch deshalb wie ein Paukenschlag wirken, weil sie sich vor dem Hintergrund einer zunehmend schlechteren Lage der Regierung ereignete. Die Wirtschaftslage ist düster, die Arbeitslosigkeit mit 20 Prozent unverändert hoch, die Inflationsrate steigt und die Koalitionsparteien streiten sich. Zuletzt stimmte gar Parlamentspräsident Jozef Migas, der Chef der mitregierenden Partei der Demokratischen Linken (SDL), bei einer Vertrauensabstimmung gegen seinen eigenen Regierungschef Dzurinda. Nur mit Mühe konnte die Koalition danach zusammengehalten werden.