Telekom Austria will mit Hilfe von Kooperationen unabhängig bleiben. | Ametsreiter setzt weiter auf integrierte Lösungen als Existenzberechtigung für das Festnetz. | "Wiener Zeitung": Es scheint, dass die Wirtschaftskrise die Konsolidierungstendenzen in der Telekommunikationsbranche beschleunigt hat. Wie wird der Markt in zehn Jahren aussehen? | Hannes Ametsreiter:Das ist schwer vorherzusagen. Die Wirtschaftskrise hat in zwei Aspekten Einfluss auf die Telekombranche. Zum einen haben wir in Zentraleuropa bereits einen gesättigten Markt.
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Das Wachstum der vergangenen Jahre ist leider vorbei. Zum zweiten kommt es in Zeiten, in denen enormer Druck auf die Ergebnisse besteht, natürlich häufiger und verstärkt zu Konsolidierungen als in Zeiten, in denen sich jeder expansiv entwickeln kann. Wir befinden uns in einer Phase, wo wir uns darauf besinnen müssen, wie wir effizienter werden.
Werden - ähnlich wie in der Automobilindustrie - auch in der Telekom-Branche die kleineren regionalen und lokalen Anbieter vom Markt verschwinden, sodass es nur noch eine Handvoll großer, dafür aber global agierender Konzerne geben wird?
In unserer Branche wird es weiterhin auch lokale und regionale Player geben. Denn im Telekombereich sind durch Zusammenschlüsse oder Übernahmen keine riesigen Synergieeffekte zu erzielen.
Aber wir haben als Industrie die sehr gute Möglichkeit, auch in Zukunft Umsatz zu generieren. Die Frage für uns ist natürlich: Wie können wir diesen bestehenden Kunden noch etwas mehr verkaufen?
Und wie lautet die Antwort auf diese Frage?
Wenn wir vom Handybereich sprechen, ist die Antwort: Das Handy wird zur universellen Kommunikationsplattform der Zukunft. All die Handy-Applikationen, die es schon gibt und noch geben wird, machen das Ganze erst spannend und interessant. Die Verbindungsentgelte sind nur eine Seite der Medaille. Die zweite Seite ist das Handy als Entwicklungsplattform, auf die Millionen zugreifen können.
Welche Rolle fällt der Telekom Austria im weltweiten Konsolidierungsszenario der Telekom-Branche zu?
Wir sind sehr, sehr gut aufgestellt. Und wir werden uns sicher bemühen, einen möglichst unabhängigen Status zu behalten.
Aber wird sich nicht irgendwann zwangsläufig die Frage stellen, ob man noch die nötige kritische Größe hat, um als unabhängiges Unternehmen in diesem Konzert der Großen weiter erfolgreich agieren zu können?
Wir haben mit der Vodafone Gruppe eines der weltgrößten Unternehmen in der Branche als Partner. Das sehen wir als durchaus tragfähiges Modell: Man kooperiert, agiert aber gleichzeitig eigenständig.
Und diese Sicht wird auch vom Kapitalmarkt weiterhin geteilt werden?
Es gibt in unserer Branche weltweit nur noch zwei Wachstumsregionen: Afrika und Asien. Wenn man in anderen Regionen tätig ist, muss man versuchen, das Beste aus den gegebenen Voraussetzungen zu machen. Daher werden wir uns bemühen, mittels Kooperationen das Beste herauszuholen.
In Ihrer Werbekampagne verkünden Sie, eine Milliarde Euro in das Festnetz investieren zu wollen. Ihre Aktionäre wird es vermutlich nicht freuen, wenn Sie so viel Geld in den schrumpfenden Festnetzbereich investieren.
Im Gegenteil. Wir konnten sogar Kurssteigerungen verzeichnen. Denn in Wirklichkeit weiß jeder Anleger, dass ein Festnetz nur dann eine Chance hat, wenn man einen Schritt nach vorne macht und sich überlegt, wie man intelligent in Glasfaser investiert. Offensichtlich hat man unseren Investitionsbeschluss als intelligent eingeschätzt.
Man könnte das auch anders sehen. In einer Phase, in der die Börsenindizes insgesamt wieder gestiegen sind, hat auch die Telekom-Austria-Aktie zugelegt.
Das stimmt so nicht. Unsere Aktie hat schon klar vor der allgemeinen Börsenentwicklung zugelegt. Der Punkt ist, dass wir jetzt den technologischen Schritt nach vorne machen und ihn mit intelligenter Planung verknüpfen.
Wird es in zehn Jahren in Österreich Privatkunden mit Festnetzanschluss geben?
Die wird es sicher geben.
Und was werden diese Kunden mit ihrem Festnetzanschluss machen?
Fernsehen wird ein zentraler Faktor sein. Unser Produkt Mediabox, das wir vor einigen Wochen auf den Markt gebracht haben, signalisiert genau das: die völlige Integration von Digitalkamera, PC, Alarmanlage, Webcams und vielem mehr. Zuhause zentral über den Fernseher gesteuert und unterwegs mit dem Handy. Unsere Vision ist, dass man möglichst alle Geräte ohne Kabel miteinander verknüpft und damit ein Netzwerk schafft, das es ermöglicht, sich gleichzeitig auf allen Geräten zu bewegen.
Wird man auch mit einem iPhone über das A1-Netz telefonieren können?
Ich denke schon. Es gibt dafür aber noch keinen Zeithorizont, da das nicht von uns abhängig ist. Für Österreich hat Apple derzeit Exklusivitätsabkommen mit Orange und T-Mobile. Diese Vereinbarungen werden allerdings irgendwann auslaufen.
In der Mobiltelefonie ist deutlich mehr zu verdienen als mit dem Festnetz. Manche Unternehmen haben daher ihre Festnetzaktivitäten abgespaltet, was von der Börse begrüßt wurde.
Das Gegenteil ist der Fall: Nur diejenigen, die beides haben, werden erfolgreich sein. Die Kunden fordern die Integration beider Bereiche. Das ist ein ganz starker Trend, den man etwa auch bei der Deutschen Telekom, der Swisscom oder bei France Telekom sehen kann. Das ist ein Weg, der den Markt aufzeigt.
Sie würden die Festnetzaktivitäten auch behalten, wenn Sie nicht die Republik Österreich als Aktionär hätten?
Das Festnetz ist essenziell. Sie können Kunden nur dann umfassende Telekommunikationsservices bieten, wenn Sie auch ein Festnetz haben. Kein einziges seriöses Unternehmen kommt ohne Festnetz aus. Wer in der Zukunft im Telekombereich ein Komplettanbieter sein will, der muss konvergente Ansätze haben.
Aber außerhalb Österreichs sind Sie das nicht überall.
Wir haben Festnetzangebote in Kroatien in Bulgarien, in einigen anderen Ländern sind wir allerdings - das ist richtig - kleiner.
Ist das geografische Wachstum für die Telekom Austria auf absehbare Zeit abgeschlossen?
Expansion ist derzeit kein Thema, ich schließe aber nicht aus, dass wir, wenn uns in Zukunft ein interessantes Projekt unterkommt, überlegen würden, dieses in Erwägung ziehen.
Ihr Aktionär ist die ÖIAG. Was sagen Sie zur Diskussion über die Sinnhaftigkeit von deren Existenz nach dem AUA-Verkauf?
Das zweifellos Wichtigste für uns ist, eine stabile und sichere Aktionärsstruktur zu haben. In diesem Zusammenhang spielt die ÖIAG und ihr Kapitalmarkt-Know-how eine sehr gute Rolle.
Aber wenn die Telekom-Aktien beim Finanzministerium liegen würden, wäre das kein großer Beinbruch, solange die stabile Aktionärsstruktur gewahrt bleibt?
Ich glaube schon, dass es von Vorteil ist, wenn eine Holdinggesellschaft und nicht das Ministerium diese Aufgabe wahrnimmt. Wir haben mit dieser Konstruktion bis jetzt sehr gute Erfahrungen gemacht. Wichtig ist es, einen stabilen Aktionär zu haben. Dafür kann man auch bestimmte Nachteile in Kauf nehmen.
Ist es ein Nachteil, Mitarbeiter zu haben, die unkündbare Beamte sind?
Es ist so, dass wir uns damit schwerer tun als andere Unternehmen, weil unser Festnetzbereich, so wie überall in Europa, Umsätze verliert, wodurch natürlich Druck auf die Kosten entsteht. Wir machen im Festnetz etwa 1,8 Mrd. Euro Umsatz und haben Kosten von rund einer Milliarde. Von diesen Kosten entfällt mehr als die Hälfte auf das Personal. Und während wir im Jahr 150 Mio. Euro an Umsatz verlieren, steigen die Personalkosten um 30 Mio. pro Jahr. Das heißt, wir befinden uns in einer extrem dramatischen Situation. Darauf muss man einfach ganz klar hinweisen, und man muss zum einen beim Umsatz, zum anderen auch bei den Kosten entsprechend Abhilfe schaffen.
Ein Versuch der Abhilfe war die Idee, die beamteten Mitarbeiter mit staatlicher Hilfe loszuwerden und in eine Holding zu verlagern, die der ÖIAG untersteht.
Ich glaube, dass diesbezüglich auch in der Politik ein Umdenken passiert. Man braucht in der Verwaltung mehr Flexibilität und ist deshalb bereit, neue Wege einzuschlagen. Zum Beispiel, wenn es im Unternehmen Beamte gibt, für die man keine Arbeit mehr hat, auf der anderen Seite aber bei der Polizei zusätzliche Mitarbeiter benötigt werden.
Aber selbst bei bestem Willen wird es kaum möglich sein, alle die Beamte, die Sie nicht mehr brauchen, bei der Polizei zu unterzubringen.
Eines hat sich ganz klar gezeigt: Zwischen einem börsenotierten Unternehmen und einer Mitarbeiterstruktur, die zu einem hohen Ausmaß von Beamten geprägt ist, besteht eine Unvereinbarkeit. Das sind Richtungen, die kollidieren. Daher wird man sicher überlegen müssen, vernünftige, sozial verträgliche Ansätze zu schaffen, die den betroffenen Mitarbeitern neue Perspektiven geben und dem Unternehmen Möglichkeiten eröffnen, wettbewerbsfähig zu bleiben. Auf einem extrem dynamischen Markt muss man entsprechende Freiheiten haben. Wenn man die nicht hat, wird man mit Sicherheit wirtschaftliche Schwierigkeiten bekommen. Wir versuchen, uns entlang dieser Linie zu bewegen und entsprechende Freiheiten zu erlangen, dieser Weg ist aber sicher noch nicht abgeschlossen.
Wäre es klüger gewesen, diese Frage vor einem Börsegang zu regeln ?
Ganz klare Antwort: Ja. Andere Länder haben das besser gelöst. KPN in Holland war ein Unternehmen etwa in der Größe wie Telekom Austria. Die standen vor dem Konkurs und haben das dann besser gelöst. Jetzt ist KPN ein florierendes Unternehmen. Die stehen heute besser da.
Zur Person
Hannes Ametsreiter studierte in Salzburg Publizistik sowie Sportwissenschaft. Nach dem Doktorat absolvierte er ein MBA-Studium an der Pepperdine University in Kalifornien. Bei der Telekom Austria begann er 1996 als Produktmanager in der Mobilsparte Mobilkom.
2001 wurde Ametsreiter zum Vorstandsmitglied der Mobilkom berufen. Ab Jänner 2009 war er auch im Vorstand der Muttergesellschaft.
Seit April 2009 ist Ametsreiter Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der börsenotierter Telekom-Austria-Gruppe.