Organisation Foodwatch prangert Marketingstrategien für Kindersnacks an.
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Wien. Zum Frühstück eine Schale Schokopops, zur Jause Eistee und eine Kindermilchschnitte und zwischendurch ein süßer Fruchtzwerg - so sieht der Speiseplan vieler Kinder in Österreich und Deutschland aus. Zugleich vergammelt Obst und Gemüse in den Jausenboxen, sofern es dort überhaupt zu finden ist. Die "Generation Überraschungs-Ei" stellt die Ernährungspyramide auf den Kopf, und schuld daran hat laut der Organisation Foodwatch nicht zuletzt die Werbeindustrie. So betrug 2011 das Werbebudget der deutschen Lebensmittelindustrie für Früchte und Gemüse 7,3 Millionen Euro, während für Schokolade, Süßwaren und Eiscreme mit 722,8 Millionen Euro das Hundertfache lockergemacht wurde.
"Die Industrie will Kinder so früh wie möglich auf ungesundes Junkfood programmieren", beklagt Anne Markwardt, Mitarbeiterin von Foodwatch. Die Konsumentenorganisation hat für den Report "Kinder kaufen" 1500 Kinderprodukte unter die Lupe genommen hat. Fazit: Fast drei Viertel aller Kinderprodukte (73,3 Prozent) fallen in die Kategorie der "süßen und fettigen Snacks", von denen Kinder täglich nicht mehr als eine Handvoll essen sollten. "Mit Obst und Gemüse lässt sich nur wenig Profit machen - mit Junkfood und Soft Drinks schon mehr", erklärt Markwardt die Misere. So können billige Rohstoffe wie Zucker zu relativ teuren Markenprodukten verarbeitet werden, weshalb Süßigkeiten, Soft Drinks und Snacks Umsatzrenditen von 15 Prozent und mehr erreichen. Obst und Gemüse bringen hingegen nur Margen von weniger als fünf Prozent.
Also werden schon die Kleinsten mit ausgeklügelten Marketingstrategien geködert. Da werden Kinder mit Comicfiguren als Junkfood-Werbeträger und mit Spielzeug-Beigaben für Süßigkeiten verführt. Da wird den Eltern mit Begriffen wie "Zwischenmahlzeit" suggeriert, der Nachwuchs müsste ständig Snacks in sich hineinstopfen. Die Folge: Kinder essen nur die Hälfte der empfohlenen Menge an Obst und Gemüse, aber weit mehr als 200 Prozent der empfohlenen Menge an Süßwaren, Snacks und Soft Drinks. Wen wundert es da noch, dass der Anteil übergewichtiger Kinder in den vergangenen 30 Jahren um 50 Prozent zugenommen hat.
Ausweg Werbeverbot?
Foodwatch fordert nun, dass Schulen und Kindergärten werbe- und PR-freie Räume werden müssten, und hat damit die Diskussion um ein Verbot von an Kinder gerichteter Werbung für ungesunde Lebensmittel neu entfacht. In Österreich haben sich der Fachverband der Telekommunikations- und Rundfunkunter-nehmungen der Wirtschaftskammer Österreich, der ORF und der Verband Österreichischer Privatsender 2010 auf eine Art Werbe-Selbstbeschränkung geeinigt. Dieser "Verhaltenskodex für unangebrachte audiovisuelle kommerzielle Kommunikation in Zusammenhang mit Kindersendungen und Lebensmitteln" war eine Reaktion auf zunehmenden (gesundheits-)politischen Druck. "Ich freue mich, wenn Selbstregulierung greift, bevor der Gesetzgeber aktiv werden muss", begrüßte Medienstaatssekretär Josef Ostermayer damals die Einigung.
Doch die Freude war womöglich verfrüht. Wie eine Studie der Universität Hamburg zeigt, hat die Bewerbung von Kinderlebensmitteln in Deutschland seit der Einführung eines Branchen-Selbstbeschränkungskodex 2009 erheblich zugenommen. Gleichzeitig glauben 40 Prozent der Deutschen fälschlicherweise, dass "Kinderlebensmittel" in Zucker, Fett- und Salzgehalt speziell an die Bedürfnisse von Kleinkindern angepasst seien. Angesichts der Ergebnisse des Foodwatch-Reports spricht sich nun ausgerechnet die wirtschaftsliberale FDP dafür aus, "das Verbot bestimmter Waren- und Werbekonstellationen" zu prüfen. "Wir wollen die Generation Überraschungs-Ei auf Diät setzen", sagt FDP-Gesundheitsexperte Erwin Lotter. "Kinder mit Spielzeug zu ködern, um sie mit Zucker zu mästen, ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Geschäft auf Kosten der Kinder."