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Fettarme Lebensmittel, "Fatburner" aller Arten, fettfreie Diäten, Lipid-senkende Medikamente: Der allgemeine Glaube, dass sie (nur) Gutes bewirken, ist allen jüngeren Erkenntnissen und fatalen Nebeneffekten zum Trotz schier unerschütterlich. Daran wird auch eine aktuelle Studie der Washington University School of Medicine in St. Louis (Missouri, USA) kaum etwas ändern. Interessant ist sie dennoch, da auch die Forschergruppe um Clay F. Semenkovich zum Schluss kam, dass der Organismus ohne Nahrungsfett nicht richtig funktioniert.
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Vom Gehirn ist ja schon seit geraumer Zeit bekannt, wie es auf Mangelernährung reagiert und welche Schäden und Defekte sich daraus entwickeln können. Nun konnte dies durch die genannte Studie auch für die Leber nachgewiesen werden, wie Semenkovich und seine Kollegen in der Wissenschaftszeitschrift "Cell Metabolism" schrieben.
Die Wissenschafter kamen durch aufwändige und präziese dokumentierte Untersuchungen an Mäusen zu dem Schluss, dass es alles andere als egal ist, ob der Organismus frisches Fett aus der Nahrung aufnimmt oder sein körpereigenes Fett "verbrennt". "Fett, das direkt aus der Nahrung stammt oder frisch aus Zuckern synthetisiert wird, setzt eine ganze Reihe von Gen-Aktivitäten in der Leber in Gang, die für gesunde Levels an Zucker, Cholesterin und anderen Fetten im Blut verantwortlich sind", wie die Forscher in ihrer Studie erläuterten. Mit den Fettspeichern im Körper alleine können diese Mechanismen nicht in Gang gesetzt werden - ganz im Gegenteil, wie sich zeigte. In ihren Experimenten schalteten die Wissenschafter in den Mäusen jenes Enzym aus, das für die Synthese von Fettsäuren aus Kohlenhydraten im Körper verantwortlich ist. Bei anschließender völlig fettfreier Diät bekamen die Tiere einen zu niedrigen Blutzuckerspiegel und Fettlebern. Bei einer fetthaltigen Ernährung verschwanden hingegen beide krankhaften Zustände.
"Es ist völlig paradox: Als wir die Fettsäure-Synthese in der Leber inaktivierten und das Fett aus der Nahrung entfernten, wurden die Tiere krank und litten an Lebern voller Fett", erklärte Semenkovich. Die Ursache dafür zeigte sich in den weiteren Studien: Durch den Mangel an frischem Fett ergab sich ein deutlicher Rückgang jener Gen-Aktivitäten, die für den Stoffwechsel von Glucose, Fettsäuren und Cholesterin von Bedeutung sind.
Die Studie unterstützt, auch im Umkehrschluss, eine Vielzahl von jüngeren Erkenntnissen im Hinblick auf den menschlichen Stoffwechsel, den Einfluss der Nahrung auf seine Organe und auf zahlreiche entsprechende Erkrankungen wie etwa Diabetes.
Fett - wenn auch in Maßen - darf also nicht nur, sondern sollte sogar Bestandteil der Ernährung sein, vor allem deshalb, weil Fettsäuren u. v. a. von zentraler Bedeutung bei der Bildung spezialisierter Gehirnzellen sind. Fehlen sie dem Gehirn, hat dies Folgen für dessen Funktion. Da Vitamine wie A und D einerseits an Fett gebunden sind und andererseits die Nervenverbindungen des Gehirns vor Fehlfunktionen und Schädigungen schützen, hätte eine Mangelversorgung mit Fett also gleich mehrere gravierend negative Auswirkungen.
Doch wo bleibt hier das Cholesterin? - Seriöser Weise kann die Frage kaum beantwortet werden, da es keine ausreichend gesicherten Daten gibt. Allerdings vertreten zahlreiche Experten mittlerweile die Auffassung, dass die Rolle der Ernährung auf die Cholesterinproduktion des Körpers eher marginal ist und andere Faktoren berücksichtigt werden müssten.
Weiters haben sich auch die Zweifel verstärkt, ob Cholesterin, egal ob HDL oder LDL, wirklich ursächlich mit bestimmten Erkrankungen wie Arteriosklerose in Verbindung gebracht werden können, da in so gut wie allen früheren Studien andere Risikofaktoren unberücksichtigt blieben, zum Teil auch deshalb, weil sie - wie etwa die chronischen Infektionen, die erst 2001 als einer der wichtigsten Risikoprädiktoren erkannt wurden - damals noch unbekannt waren.