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Frankreichs Regierung will das Pensionssystem ändern - Widerstand im Parlament und auf der Straße ist programmiert.
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Nicht weniger als 17 Mal hat Emmanuel Macron in seiner diesjährigen Neujahrsansprache das Wort "Arbeit" oder die Verb-Form davon verwendet. Frankreich, so der Präsident, werde nur stärker, wenn alle sich noch mehr anstrengen. Das schließe auch die schrittweise Erhöhung des Pensionsantrittsalters mit ein. "2023 wird in der Tat das Jahr der Pensionsreform, die das Gleichgewicht unseres Systems in den kommenden Jahrzehnten gewährleisten soll", kündigte Macron in der Silvesterrede an.
Einen ersten Versuch eines weitreichenden Umbaus des Systems hatte er Anfang 2020 zurückgezogen - nicht aufgrund der massiven Proteste, die das Land zeitweise lahmlegten, sondern wegen der Corona-Pandemie, die just begann, als das Projekt fast umgesetzt war. Nun besteht kein Zweifel an Macrons Willen, das Gesetz durchzubringen. Auf dem Spiel steht das Image als Reformpräsident, der für eine verantwortungs- und budgetbewusste Politik zeichnet.
Infolge der Krisen der vergangenen Jahre stieg die französische Staatsverschuldung auf mehr als 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP); das Haushaltsdefizit lag 2022 bei 4,9 Prozent des BIP. Macron will es bis zum Ende seiner Amtszeit 2027 wieder unter die Drei-Prozent-Grenze der EU-Schuldenvorgaben drücken - auch mithilfe von Reformen. Ende des Jahres hat er die Regeln der Arbeitslosenversicherung verschärft. Gestern, Dienstag, stellte seine Premierministerin Elisabeth Borne die Grundzüge der Pensionsreform vor, die seit Monaten für Diskussionen und viele Ängste sorgt.
In den Ruhestand mit 64 Jahren
Denn die Französinnen und Franzosen wollen nicht mehr und nicht länger arbeiten - ein Trend, den Studien bestätigen und den die Coronavirus-Pandemie noch verstärkt hat. Mehr als die Hälfte von ihnen empfinden einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IFOP zufolge ihren Job als einengend. 45 Prozent der Menschen nennen demnach ihr Einkommen als Hauptmotivation, um zu arbeiten. Im Jahr 1993 sagte das nur ein Drittel der Befragten. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit spricht sich gegen die Pensionsreform aus, obwohl es sich um eines der zentralen Wahlkampfversprechen Macrons handelte.
Dieser argumentiert, dass den Alterssicherungssystemen ein Milliarden-Euro-Defizit drohe. Doch mehrere, meist links stehende Wirtschaftswissenschafter wie der Star-Ökonom Thomas Piketty beschwichtigen, das Loch sei nicht bedrohlich groß. So hat sich die Meinung verbreitet, eine Änderung sei nicht notwendig. "Ich werde es nicht zulassen, dass man die Franzosen glauben macht, dass wir ohne Reform unser System nicht in Gefahr bringen", entgegnete darauf Regierungschefin Borne.
Eine umfassende Änderung wie noch vor drei Jahren ist jedoch nicht mehr geplant. Stattdessen kündigte Borne eine schrittweise Anhebung der Altersgrenze von derzeit 62 auf 64 Jahre bis 2030 an. Die bereits laufende allmähliche Erhöhung der Einzahldauer auf 43 Jahre für eine abschlagsfreie Pensionszahlung soll zugleich beschleunigt werden. Vorgesehen sind Sonderregeln für besonders beschwerliche Arbeit und für Personen, die sehr früh ins Arbeitsleben eingestiegen sind.
Auch soll es Maßnahmen geben, damit Unternehmen Senioren länger in ihren Betrieben halten. Derzeit ist nur noch gut jeder Dritte der 60- bis 63-Jährigen in Frankreich berufstätig; viele Firmen stellen Menschen ab Anfang, Mitte 50 ungern ein. Geplant sind darüber hinaus die Abschaffung von Ausnahmeregelungen zur Frühpension für bestimmte Berufsgruppen sowie eine Mindestpension von 1.200 Euro pro Monat für alle, die ihr Leben lang gearbeitet, aber nur geringe Einkommen gehabt haben.
Suche nach Verbündeten
Die konservativen Republikaner forderten, dies nicht nur auf künftige, sondern auch derzeitige Pensionisten anzuwenden. Die Partei schlägt zwar seit Jahren eine Pensionsreform mit Anhebung der Altersgrenze auf 65 Jahre vor, bezeichnete dies aber nun als zu hart und knüpfte Bedingungen an ihre mögliche Zustimmung zu den Plänen. Der neue Parteichef Eric Ciotti signalisierte zuletzt Kooperationsbereitschaft, sodass die Reform mit den Stimmen der Republikaner in der Nationalversammlung beschlossen werden könnte. Da Macrons Partei Renaissance seit den Parlamentswahlen im Juni dort über keine absolute Mehrheit mehr verfügt, braucht sie weitere Verbündete; als letzte Waffe bliebe sonst nur ein Sonderparagraf, um das Gesetz am Parlament vorbei zu beschließen.
Macron will das Vorhaben bis Ende des Sommers umsetzen. Die linken Parteien sowie der rechtsextreme Rassemblement National haben schon Widerstand angekündigt.
Das gilt auch für die Gewerkschaften, die sich erstmals seit zwölf Jahren, als unter dem damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy das Pensionsalter von 60 auf 62 Jahre stieg, im Protest vereinen und noch im Jänner Demonstrationen organisieren wollen. Bei Macrons erstem Reformversuch war ihm die gemäßigte Gewerkschaft CFDT noch positiv gesonnen, die für einen Umbau für ein gerechteres System eintrat, sich aber gegen die Anhebung der Altersgrenze stellt. Das Jahr 2023 könnte Frankreich statt mehr Arbeit mehr Blockaden und Proteste bringen.