Landesrätin Doris Kampus soll als neue SPÖ-Stadtparteichefin die Antwort auf die KPÖ-Bürgermeisterin werden.
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Es erinnert an bisschen an die Bestellung von Pamela Rendi-Wagner im November 2018 zur SPÖ-Bundesparteivorsitzenden. Nach der Niederlage für die Sozialdemokraten mit Bundeskanzler und Parteichef Christian Kern gegen ÖVP-Aufsteiger Sebastian Kurz bei der Nationalratswahl 2017 wurde die Gesundheitsministerin vor allem auch deswegen rote Parteivorsitzende, weil sich keiner der Genossen diese Funktion antun wollte. In Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, ist die Lage für die SPÖ allerdings noch ungleich prekärer. Da siecht die SPÖ mit weniger als zehn Prozent ohne Sitz im Stadtsenat dahin. In diese rote Parteiruine rückt jetzt Soziallandesrätin Doris Kampus als Krisenfeuerwehr aus. Die 55jährige Weststeirerin ist seit Dienstagabend geschäftsführende SPÖ-Stadtparteichefin und soll im ersten Quartal 2023 offiziell in diese Funktion gewählt werden.
Kampus, die auch Mitglied des SPÖ-Bundesparteivorstandes ist, gilt als das soziale Gesicht der SPÖ in der Steiermark. In der nach der Landtagswahl 2019 verlängerten ÖVP-SPÖ-Koalition im Land ist sie Landesrätin für Soziales und Integration. Der steirische SPÖ-Landeschef und Vizelandeshauptmann Anton Lang war sehr interessiert daran, dass sie die schwierige Aufgabe in der Grazer SPÖ übernimmt. Dabei hat Lang durchaus auch selbst höchstes Interesse. Ohne ein gutes Abschneiden bei der nächsten Landtagswahl 2024 wird der Traum der Roten, gegen die Partei des im Juli neugewählten Landeshauptmannes Christopher Drexler (ÖVP) zu reüssieren und wie unter Franz Voves ab 2005 den Chefsessel in der Landesregierung zu erobern, wie eine Seifenblase platzen.
Die im steirischen Kohlerevier Köflach 1967 geborene Kampus übernimmt vom mit 47 Jahren jüngeren Michael Ehmann. Der hemdsärmelige Gewerkschafter hat 2016 die in internen Intrigen verstrickte Grazer Stadtpartei übernommen, der Abwärtstrend hielt an. Seit dem Ende der Ära von SPÖ-Langzeitbürgermeister Alfred Stingl im Jahr 2003 hat die Grazer SPÖ in nicht einmal 20 Jahren neun Personen an ihrer Spitze gesehen, während sie unter die 10-Prozent-Marke gerutscht ist. Kampus kennt die marode Grazer Stadtpartei als Frauenvorsitzende und bisherige Stellvertreterin von Ehmann.
Für ein weltoffenes Graz
Von ihrem politischen Zuschnitt ist Doris Kampus die SPÖ-Antwort auf die knallrote Elke Kahr. Die KPÖ-Politikerin hat am 26. September mit einem europaweit beachteten Sensationserfolg für die Kommunisten das Bürgermeisteramt in der bürgerlich und stark alternativ-grün angehauchten Landeshauptstadt erobert. Kahr verströmte mehr Glaubwürdigkeit als die SPÖ, wenn es um die Probleme der Grazer Bevölkerung mit hohen Wohnkosten ging. Die neue geschäftsführende Grazer SPÖ-Chefin hat ihre Aufgabe als Langzeitprojekt angelegt. Innerhalb von zehn Jahren soll die SPÖ in Graz wieder stärkste Partei sein.
Wie sie das machen will, hat Kampus nach der Wahl durch die Mitglieder des Grazer SPÖ-Vorstandes skizziert. "Ich möchte mehr Menschen für die SPÖ begeistern, ich möchte auch andere Themen wieder anreden, ich möchte zeigen, dass wir gestaltende Kraft sind in dieser Stadt. Da ist Soziales natürlich ein Thema, aber ich möchte, dass Graz auch wieder urbaner wird, dass Graz weltoffener wird", sagte die nunmehrige geschäftsführende SPÖ-Stadtparteichefin.
Die studierte Philologin ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. Dass sie auch für unpopulären Aufgaben, die einen langen Atem benötigen, nicht zurückschreckt, hat sie in ihrer beruflichen Laufbahn bewiesen. Als selbstständige Unternehmensberaterin wechselte sie 2008 in den öffentlichen Dienst. Als Abteilungsleiterin für Landes- und Gemeindeentwicklung in der Landesregierung war sie auch maßgeblich an den von Landeshauptmannn Franz Voves und seinem Stellvertreter, dem späteren Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), nach 2010 durchgeführten Gemeindefusionen beteiligt, die auf teils scharfe Kritik gestoßen sind.